Dienstagabend, ein zwischengenutztes Gebäude in Bern: Überall stehen Kisten voller Flyer herum, die Wände sind übersät mit vollgekritzelten Post-it. Ein Zettel fällt besonders ins Auge. Mit dicken, schwarzen Lettern hat jemand darauf geschrieben: «Es ist bedroht, was wir lieben.»
Zwischen Flipcharts und Bücherregalen haben Jan Schuller (27), Maya (21), Jann (23), Theo (18), Jan Burckhardt (17), Saskia (17) und Naomi (18) vor sich ihre mit Klima- und Feminismus-Stickern beklebten Laptops aufgeklappt.
Auch Werner Schuller (58) sitzt mit am Tisch. Der Softwareentwickler und Vater von Jan hilft den Gymnasiastinnen und Studenten bei technischen Fragen. Er und «die Jungen» sind aus der ganzen Schweiz angereist, um über ihr Projekt zu sprechen: die Klima-Charta.
Charta wurde missverstanden
Die Idee: National- und Ständerats-Kandidierende sollen sich auf der neuen Website zu Forderungen der Klimastreikenden positionieren: Ausrufung des nationalen Klimanotstands, netto null Emissionen von Treibhausgasen bis 2030, Klimagerechtigkeit und Systemwandel, falls die Forderungen im aktuellen System nicht umzusetzen sind. Die Politiker dürfen aber auch eigene Lösungen formulieren. Die Antworten werden am 20. September veröffentlicht. Fast 400 Kandidierende haben die Charta ausgefüllt, die meisten aus der links-grünen Ecke. Die Klimajugendlichen sind unzufrieden: Ihre Charta sei missverstanden worden. «Es geht darum, den Wählern Lösungsansätze zu präsentieren. Die Kandidierenden können sich ja auch gegen unsere Forderungen stellen und das begründen», sagt Jann.
«Wir vergeben kein Klima- Label und geben keine Wahlempfehlung. Das müssen wir den Leuten klarmachen.» Alle nicken. Die Aktivisten haben sich viel vorgenommen. Hie und da wächst ihnen das über den Kopf. Etwa, wenn Theo aus Freiburg einwendet, dass manche Welsche gern eine Wahlempfehlungsseite gehabt hätten. Oder wenn die To-do-Liste immer länger wird.
Müde von der Kritik der Erwachsenen
Jan Schuller nimmt die Brille ab und reibt sich müde die Augen. Es bestehe schon die Gefahr, sich zu übernehmen, sagt sein Kollege Jann. «Es gibt viele Workaholics unter uns.» Die Burn-out-Gefahr sei gross. «Darum gibt es mittlerweile jede Woche Massagegruppen für überanstrengte Klimastreikende.»
Nach einem kurzen Tief reisst sich die Gruppe wieder zusammen. «Dann legen wir halt noch ein paar schlaflose Nächte ein», sagt Maya.
Kurz vor Mitternacht verabschieden sie sich. Zuversichtlich.
Wirklich müde machen sie nur negative Berichte und Kritik von Erwachsenen. «Wir verstehen nicht, warum wir gebremst oder verurteilt werden. Wir versuchen doch nur, etwas Gutes zu tun!», sagt Jan Burckhardt.