Die Reitschule in Bern ist das heisseste politische Thema. Seit dreissig Jahren. Eigentlich wäre das schon lange nicht mehr nötig, denn das 120-jährige Gebäude hat sich seit seiner Besetzung 1987 zum wichtigsten Kulturzentrum der Stadt entwickelt. Unzählige Musikerkarrieren haben hier begonnen, und an jedem Wochenende strömen Tausende in den bunten Nostalgietempel.
Subventionen ohne Gegenleistung
Was die Finanzen betrifft, ist der Betrieb längst etabliert und vermutlich kommerziell erfolgreich. Darüber hinaus hat er einen Leistungsvertrag mit der Stadt und wird von ihr massiv subventioniert.
Leider haben es Berns Politikerinnen und Politiker bis heute nicht geschafft, für das Geld der Steuerzahler einen Preis einzufordern. Stattdessen sorgen ein paar Wohlstandsrevoluzzer, die das «Kulturzentrum» mit dessen stillem Einverständnis als menschlichen Schutzschild benützen, regelmässig für Krawall und Sicherheitskosten in Millionenhöhe.
Die Bilder von den Strassenschlachten am Wochenende haben landesweit für Schlagzeilen gesorgt. Aber unzählige kleinere Scharmützel nimmt ausserhalb Berns niemand mehr zur Kenntnis. Vorbeifahrende Polizeifahrzeuge werden mit Steinen, Flaschen und Feuerwerk angegriffen – und sobald die Lage brenzlig wird, verbarrikadieren sich die Vermummten im Kulturzentrum.
Auf der Nase herumtanzen
Dieses wiederum stellt sich auf den scheinheiligen Standpunkt, es könne nicht für seine Gäste und das Geschehen rund um das Haus verantwortlich gemacht werden. Gleichzeitig solidarisiert es sich unverfroren mit den Randalierern.
Dass der Kulturbetrieb zwar gerne öffentliche Gelder kassiert, sich aber mit Verweis auf seine autonome Basisdemokratie weigert, verbindliche Regeln einzuhalten und auf Distanz zu den Krawallbrüdern zu gehen, ist das eine.
Das andere ist, dass sich Berns Stadtregierung und die Polizei seit Jahren in einer Art und Weise auf der Nase herumtanzen lassen, dass man nicht weiss, ob das noch Politik oder nur noch Unvermögen ist.
Kein Kurswechsel
Längst könnte die Stadt der Reitschule den Geldhahn zudrehen, solange diese nicht im wahrsten Sinn des Wortes für Ordnung im Stall sorgt. Vor ziemlich genau einem Jahr rang sich der Gemeinderat, Berns Exekutive, endlich durch, die 380’000-Franken-Subvention zu sistieren. Das Stadtparlament machte die Massnahme schon im Mai wieder rückgängig.
Jetzt wird in Bern wieder viel geredet. Ob etwas passiert, ist fraglich. Zwar hat die Reitschule ihren hochtoleranten Schutzpatron, Ex-Stadtpräsident Alexander Tschäppät (64), verloren. Aber bei seinem Nachfolger, dem Grünen Alec von Graffenried (54), deutet wenig auf einen Kurswechsel hin.
Fütternde Hand ausstrecken und sich beissen lassen
Im fünfköpfigen Berner Gemeinderat haben SP und Grüne vier Sitze. Bisher zahlte es sich für die Linke politisch immer aus, wenn sie sich hinter das Heimatmuseum ihrer revolutionären Jugend stellte. Denn in der Bundesstadt entspricht das dem Willen der Bevölkerung.
Bereits fünfmal wurde zugunsten der Reitschule abgestimmt. Beim letzten Mal 2010 mit Zweidrittelsmehrheit. Wie es scheint, sind die Bernerinnen und Berner masochistisch genug, ihre fütternde Hand auszustrecken und sich beissen zu lassen.