Führte Verwaltung an Nase herum
Berner fährt Porsche – zahlt aber Millionen Steuerschulden nicht

Ein Berner Unternehmer hatte 8,7 Millionen Steuerschulden – die ihm offenbar völlig egal waren. Die Steuerverwaltung ging beinahe auf einen Deal ein, der ihm 99,7 Prozent Rabatt gewährt hätte.
Publiziert: 05.08.2021 um 10:09 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2021 um 11:09 Uhr
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Der Mann zog wegen des gescheiterten Deals vor das Verwaltungsgericht – und verlor.
Foto: Keystone

Ein Berner Unternehmer führte während 30 Jahren in Bern ein Personalvermittlungsbüro, vermittelte Handwerker an verschiedene Baustellen des Landes. Offenbar sehr erfolgreich: Laut der «Berner Zeitung» flatterten zwischen 1994 und 2011 Steuerforderungen in der Höhe von 8,7 Millionen Franken in seinen Briefkasten. Von denen allerdings bezahlte er keinen einzigen Rappen.

Die kantonale Steuerverwaltung betrieb den Mann – allerdings erfolglos. 42 Pfändungsverlustscheine hat sie vom Unternehmer über all die Jahre erhalten. Aber: Die erfolglosen Betreibungen wurden einfach hingenommen, sein Fall nie weiter abgeklärt, schreibt die Zeitung.

Golfferien, teures Auto

Mehr noch: Der Berner erhielt unentgeltliche Rechtsvertretung des Kantons in der Höhe von 6200 Franken. Das erhalten Leute, die sich keinen Anwalt leisten können. Daran darf allerdings gezweifelt werden. Denn der Mann führte ein Leben im Luxus. So fuhr er einen Porsche Cayenne, machte Golfferien und kaufte sich Schmuck. Die Kosten dafür rechnete er als Geschäftsaufwand über seine Firma ab.

Die «Berner Zeitung» berichtet nun über diesen unglaublichen Fall wegen des Deals, den der Mann im Jahr 2015 der Steuerverwaltung vorschlug: Der Mann bezahlt der öffentlichen Hand einmalig 25’000 Franken. Als Gegenleistung verzichtet der Kanton Bern auf alle seine Forderungen – die 8,7 Millionen Franken Steuerschulden und die 6200 Franken Anwaltskosten.

Versuchte sich mit Deal reinzuwaschen

Der Mann – seit 2013 pensioniert – versuchte so, seinen ellenlangen Betreibungsregisterauszug reinzuwaschen. Er gab an, nur von der AHV und Ergänzungsleistungen zu leben. Er könne sich nicht erklären, wie die Schulden zustande gekommen seien.

Die Steuerverwaltung kaufte dem Mann offenbar jedes Wort ab. Er ging dabei manipulativ vor: Seine Briefe schrieb er per Hand, da er kein Geld für einen Computer habe. Im Juni 2015 ging die Berner Steuerverwaltung schriftlich auf den Deal ein. Statt 8,7 Millionen hätte der Mann also nur 25'000 Franken zahlen müssen. Ein Rabatt von satten 99,7 Prozent.

Er überwies das Geld – und wäre damit beinahe davongekommen. Wenn nicht bei der Finanzdirektion der Stadt Bern bei jemandem die Alarmglocken losgegangen wären. Ein Grossteil der Steuerschulden hatte der Mann bei seiner Wohngemeinde. Und diese legte ihr Veto gegen den Deal ein.

Jetzt wird geprüft, was bei ihm zu holen ist

Also musste die Steuerverwaltung die 25'000 Franken wieder zurückzahlen. Der Unternehmer ging wegen des gescheiterten Deals aber vor Verwaltungsgericht und klagte auf Vertragsbruch. Das beschäftigte sich mit dem Fall – und kritisierte in seinem Urteil das Vorgehen der Berner Steuerverwaltung scharf. Es stellte infrage, ob die Behörde überhaupt zu so einem Deal befugt gewesen war. Auch den Gratisanwalt hätte man nie und nimmer bewilligen dürfen.

Das Gericht urteilte aber gegen den Unternehmer: Er habe den Kanton in die Irre geführt. Die Steuerverwaltung habe folglich vom Vertrag zurücktreten dürfen.

Laut der «Berner Zeitung» wird nun aktuell geprüft, ob es beim Unternehmer doch noch etwas zu holen gibt. Vor wenigen Monaten wurden die Bücher seines Personalvermittlungsbüros geprüft. Die Vermutung: Dass er den Privataufwand für sein Luxusleben nicht korrekt abrechnete. Es könnte die Grundlage für ein weiteres Verfahren sein. (neo)

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