Sie halten sich in der Schweiz auf, obwohl sie es nicht dürfen: Sans-Papiers. Sie arbeiten hier, um dann ihren Lohn an ihre Familien in der Heimat zu transferieren. Nicht selten haben sie dort Land und Eigentum. Werden die illegalen Einwanderer von der Polizei erwischt, droht ihnen die Ausschaffung. Doch damit es erst gar nicht so weit kommt, scheuen sich Sans-Papiers nicht davor zu skrupellosen Mitteln zu greifen.
Landsleute, die bereits hier in der Schweiz leben, unterstützen die Illegalen dabei und haben eigens ein Netzwerk aufgebaut, um die Schweizer Behörden mit Härtefallgesuchen auszutricksen. Das berichtet die «Berner Zeitung». Damit Sans-Papiers in der Schweiz bleiben können, müssen sie ein Härtefall-Gesuch stellen und auf die anschliessende Aufenthaltsbewilligung hoffen. Damit ein solches Gesuch angenommen wird, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, wie die «Berner Zeitung» schreibt.
Trickser-Netzwerk bei Baustellen-Kontrolle aufgedeckt
So etwa müssen Einzelpersonen mindestens zehn Jahre in der Schweiz gelebt haben, bei Familien sind es lediglich fünf Jahre. Zudem müssen die Sans-Papiers für eine Aufenthaltsbewilligung finanziell unabhängig sein, eine eigene Wohnung haben, integriert sein und eine der Landessprachen sprechen.
Doch die Härtefall-Klausel wird nicht selten durch kriminelle Banden ausgenutzt. So haben Sans-Papiers über das jetzt von der Fremdenpolizei der Stadt Bern aufgedeckte Trickser-Netzwerk, erfahren, welche Geschichten sie den Behörden aufzutischen haben, um die Bedingungen für das Gesuch zu erfüllen.
Die Fremdenpolizei stiess demnach durch Zufall bei der Überprüfung eines Mazedoniers (40) im Zuge einer Baustellen-Kontrolle auf das Trickser-Netzwerk. Schnell stellte sich heraus, dass es sich bei dem 40-Jährigen um einen Sans-Papiers handelte, der mittels eines Gesuchs eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz erwirken wollte. Dazu habe er sich an die Beratungsstelle für Sans-Papiers in Bern gewendet.
Berner Wohnung als «Safe House» für Sans-Papiers benutzt
Weitere Abklärungen zeigten: Der Mazedonier, der sich illegal in der Schweiz aufhält, hatte bei einem Landsmann, der im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung ist, in der Stadt Bern Unterschlupf gefunden. Als die Behörden die Dreizimmer-Wohnung kontrollierten, wurde klar, dass an der besagten Adresse zahlreiche Personen leben. Die Fremdenpolizei stellt mehrere mazedonische Reisepässe sicher.
«Wir vermuten, dass die Wohnung als Safe House für Personen genutzt wird, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Die Bewohner werden hier gleichzeitig beraten, wie sie ein Härtefallgesuch bei der Beratungsstelle für Sans-Papiers in Bern einreichen können», sagt Alexander Ott, Polizeiinspektor und Chef der Fremdenpolizei der Stadt Bern, zur «Berner Zeitung».
Sieben weitere Fälle von Fremdenpolizei aufgedeckt
Brisant: Dem besagten Sans-Papier gehört zusammen mit seiner Familie ein Haus in Mazedonien. In die Schweiz sei er demnach nur gekommen, um Geld für den Umbau seines Hauses zu verdienen. Bei den Arbeitgebern der Sans-Papiers handelt es sich meistens um Landsleute, die Sozialabgaben und Steuern nicht bezahlen. «Es handelt sich um Gefälligkeitsbestätigungen und um professionell ausgestellte Arbeitsbestätigungen von Arbeitgebern und Firmen, die eigens zu diesem Zweck gegründet wurden und danach wieder in Konkurs gingen», sagt Ott.
Insgesamt habe die Fremdenpolizei der Stadt Bern bis jetzt sieben weitere Fälle festgestellt, in denen die Behörden getäuscht wurden und Härtefall-Gesuche eingereicht wurden, die auf Lügengeschichten basierten. Bei den Sans-Papiers handelt es sich um Staatsangehörige aus Mazedonien, Albanien und dem Kosovo. Vier von ihnen wurden in ihre Heimatländer zurückgeführt, bei den restlichen sind entsprechende Abklärungen noch im Gange.
Bei der Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers herrscht ob des Vorgehens Bestürzung. «Für uns ist es eine grosse Enttäuschung, zu erfahren, dass es offenbar Personen gibt, die zu uns in die Beratung gekommen sind und uns einen falschen Sachverhalt erzählt haben. Die Beratungsstelle prüfe die Härtefallgesuche stets sorgfältig», sagt Alexandra Büchler, Co-Präsidentin der Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers.
Aufgrund des professionellen Vorgehens im Fall des Trickser-Netzwerks liegt die Vermutung nahe, dass die kriminelle Bande nicht nur im Bernbiet operiert. (rad)