Francesca T.* (†59) hinterlässt bei ihrem Tod neue Kleider im Wert von 100'000 Franken
Sozialamt finanzierte Kaufsüchtige

Schockierender Fund in einer Berner Sozialwohnung: Francesca T. (†59) hinterlässt bei ihrem Tod neue Kleider im Wert von 100'000 Fr. Abgepackt in Müllsäcken. Das Sozialamt hatte ihr aus Platzmangel sogar eine grössere Wohnung gegeben.
Publiziert: 18.06.2018 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2024 um 17:48 Uhr
Gabriela Battaglia

Die Italienerin Francesca T.* (†59) lebte in Bern von Sozialhilfe. 1047 Franken erhielt sie monatlich aus der Staatskasse. Darin inbegriffen: 100 Franken Integrationszulage, obwohl sie in Bern aufwuchs und lupenreines Bärndeutsch sprach. 

Am 17. April starb Francesca T. in ihrer Wohnung in Bern-Bümpliz. Das Konkursamt gab jetzt die Wohnung frei, weil die Erben in Italien auf ihren Anspruch verzichteten.

Als Verwalter Urs Eichenberger (73) die 3½-Zimmer-Wohnung im 8. Stock betritt, ist er geschockt. Dutzende 100-Liter-Abfallsäcke liegen in allen Zimmern herum. Auch der Balkon ist zugemüllt. In den Abfallsäcken: Kleider, Schuhe, Handtaschen und Gürtel. Vieles ist neu und teilweise noch eingepackt.

Francesca T. litt an Shopping-Sucht. Wie BLICK-Recherchen zeigen, kaufte sie fast täglich in der Berner Altstadt in Kleider-, Schuh- und Schmuckläden ein.

Immobilien-Verwalter Eichenberger ist empört: «Wie ist es möglich, dass man sich all das mit Sozialhilfe leisten kann? Unsere Steuergelder werden zum Fenster rausgeschmissen.» 

Grössere Wohnung

Ab 2010 hatte die Italienerin noch in einer 1-Zimmer-Wohnung im Haus gelebt. Die Miete betrug 560 Franken monatlich. «Frau T. sagte mir immer, sie brauche mehr Platz», so Eichenberger. «Jetzt verstehe ich, weshalb.»

Vom Sozialamt wurde ihr eine grössere Wohnung zugesprochen. Im letzten August zügelte Francesca. «Frau T. sagte, das Sozialamt habe das bewilligt», so Eichenberger. «Ich konnte es kaum glauben. Man geht doch erst einmal vor Ort schauen, ob das nötig ist.» 

Regelmässige Hausbesuche nicht möglich

In diesem Fall offensichtlich nicht. Felix Wolffers, Leiter des Sozialamts der Stadt Bern, sagt zwar: «Der Sozialdienst überprüft die Einkommens- und Vermögensverhältnisse regelmässig. Bei ausreichendem Verdacht werden monatliche Kontrollen durchgeführt.»

Gleichzeitig gibt er aber zu: «Unsere Sozialarbeiter betreuen pro Vollzeitstelle 100 Fälle, das sind gegen 160 Personen.» Bei dieser grossen Belastung sei es leider nicht möglich, regelmässig Hausbesuche durchzuführen.

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Es braucht mehr Sozialdetektive zur Überwachung von Sozialhilfebezügern, findet Bernhard Eicher, Fraktionschef der Stadtberner FDP.
Foto: ZVG/Markus Foedisch

Der Mietzins der grösseren Wohnung liege im üblichen Rahmen, so Wolffers. «Für eine Einzelperson werden maximal 900 Franken Miete plus die üblichen Kosten übernommen.» Francesca T. habe einen «kleinen Überschuss von 30 Franken pro Monat selber getragen.» Das Sozialamt habe nicht gewusst, dass sie sehr viele Kleider kaufte.

Grauzone Ausland

Unentdeckt blieben auch Francesca T.s regelmässige Reisen in die Heimat. «Sie blieb jeweils mindestens zwei Monate weg», erzählt eine Nachbarin. Wolffers sagt nur: «Längere Auslandreisen müssen begründet und vom Sozialamt bewilligt werden.» Verdiente sich die Italienerin in ihrer Heimat einen Zustupf? Das Sozialamt muss eingestehen: «Erwerbstätigkeit im Ausland kann meist nicht systematisch überprüft werden.» 

Staatlich finanzierte Shopping-Sucht offenbar auch nicht. «Die Kleider haben sicher einen Wert von rund 100'000 Fr.», sagt Verwalter Eichenberger. «Ich rief beim Sozialamt an. Die hatten kein Interesse.» Er kontaktierte das Rote Kreuz. Gestern wurden die Sachen abgeholt. 

* Name geändert  

Wer ein Anrecht auf Sozialhilfe hat

In der Schweiz kann sich jeder beim Sozialamt seiner Wohngemeinde anmelden. Etwa Arbeitslose, die nach zwei Jahren beim Arbeitslosenamt ausgesteuert sind. Eine Anmeldung ist aber nur möglich, wenn kein eigenes Vermögen mehr vorhanden ist. Das Sozialamt wird nach den Lebensumständen fragen und individuell prüfen, welche Sozialhilfe notwendig ist. In den meisten Kantonen erhält ein Sozialhilfeempfänger 986 Franken für den Grundbedarf (Verpflegung, Kleider, Telefon, usw.). Zudem wird die Wohnungsmiete im ortsüblichen Rahmen bezahlt, die bei einer Person – je nach Kanton – um die 800 Franken beträgt.

Keine Luxusgüter

Auch die monatlichen Krankenkassenbeiträge werden bezahlt – diese werden über die Prämienverbilligung des Kantons abgerechnet. Luxusgüter oder Ferien werden vom Sozialamt nicht bezahlt – sie müssen vom Grundbedarf zusammengespart werden.

Kein Auto

Ein Auto darf ein Sozialhilfeempfänger keines besitzen. Ausser er braucht es aus gesundheitlichen Gründen oder ist teils erwerbstätig und kann den Arbeitsort nicht mit dem öffentlichen Verkehr erreichen. Dann werden Benzin und Versicherung übernommen.

Auch Ausländer erhalten in der Schweiz Sozialhilfe. Asylbewerber rund 20 Prozent weniger. Abgewiesene Asylsuchende erhalten Nothilfe. 2016 bezogen in der Schweiz 273'273 Menschen Sozialhilfe.

Missbrauch wird bekämpft

Die Gesamtausgaben betrugen 2,7 Milliarden Franken. In den Kantonen Neuenburg, Basel-Stadt und Genf hatte es die meisten Sozialhilfebezüger. Missbrauch wird bekämpft und ist im Strafgesetzbuch unter Art. 148a geregelt.

Luxusgüter oder Ferien werden vom Sozialamt nicht bezahlt.
Luxusgüter oder Ferien werden vom Sozialamt nicht bezahlt.
Keystone

In der Schweiz kann sich jeder beim Sozialamt seiner Wohngemeinde anmelden. Etwa Arbeitslose, die nach zwei Jahren beim Arbeitslosenamt ausgesteuert sind. Eine Anmeldung ist aber nur möglich, wenn kein eigenes Vermögen mehr vorhanden ist. Das Sozialamt wird nach den Lebensumständen fragen und individuell prüfen, welche Sozialhilfe notwendig ist. In den meisten Kantonen erhält ein Sozialhilfeempfänger 986 Franken für den Grundbedarf (Verpflegung, Kleider, Telefon, usw.). Zudem wird die Wohnungsmiete im ortsüblichen Rahmen bezahlt, die bei einer Person – je nach Kanton – um die 800 Franken beträgt.

Keine Luxusgüter

Auch die monatlichen Krankenkassenbeiträge werden bezahlt – diese werden über die Prämienverbilligung des Kantons abgerechnet. Luxusgüter oder Ferien werden vom Sozialamt nicht bezahlt – sie müssen vom Grundbedarf zusammengespart werden.

Kein Auto

Ein Auto darf ein Sozialhilfeempfänger keines besitzen. Ausser er braucht es aus gesundheitlichen Gründen oder ist teils erwerbstätig und kann den Arbeitsort nicht mit dem öffentlichen Verkehr erreichen. Dann werden Benzin und Versicherung übernommen.

Auch Ausländer erhalten in der Schweiz Sozialhilfe. Asylbewerber rund 20 Prozent weniger. Abgewiesene Asylsuchende erhalten Nothilfe. 2016 bezogen in der Schweiz 273'273 Menschen Sozialhilfe.

Missbrauch wird bekämpft

Die Gesamtausgaben betrugen 2,7 Milliarden Franken. In den Kantonen Neuenburg, Basel-Stadt und Genf hatte es die meisten Sozialhilfebezüger. Missbrauch wird bekämpft und ist im Strafgesetzbuch unter Art. 148a geregelt.

 

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