Es ist ein Konflikt, der weltweit ausgetragen wird und regelmässig Verletzte und sogar Tote fordert - bisher jedoch nur im Ausland. Nun ist die blutige Rivalität zwischen den beiden grössten Motorcycle Clubs (MCs), den Hells Angels und den Bandidos in der Schweiz angekommen: Hells Angels, unterstützt durch die ihnen untergeordneten Broncos, griffen am Samstag vor einer Woche in Belp BE Mitglieder des Bandidos MC an. Mindestens 35 Personen gingen aufeinander los. Mit Messern, Eisenstangen und Holzlatten. Aber auch Schüsse fielen. Am Ende mussten fünf Personen ins Spital.
Vor dem Überfall fuhren Mitglieder des Bandidos MC zusammen mit weiteren Bikern nach Sugiez FR am Murtensee. An der Frühjahrsausstellung eines lokalen Töffhändlers trafen sie auf Broncos. Augenzeugen sprechen von einer entspannten Stimmung, man gab sich die Hand. Jemand aber muss die Hells Angels über das Auftauchen der Bandidos informiert haben. Denn nach dem Besuch am Murtensee fuhren diese ins 50 Minuten entfernte Belp. Hier wollten die Bandidos und ihre Freunde eine Party steigen lassen. Insgesamt waren etwa 20 Leute in dem Lokal an der Steinbachstrasse, als kurz vor 18 Uhr die ersten Broncos auftauchten. Dann ging alles ganz schnell: Ein Hells Angel fuhr in einem schwarzen Pick-up auf das Lokal und die Leute davor zu. Das war der Zeitpunkt, als einer der Bandidos das Feuer eröffnete und auf den Wagen schoss.
Wer sich widersetzt, wird bekämpft
In der folgenden Schlägerei wurden vor allem Broncos und Hells Angels teils schwer verletzt. So erlitt einer von ihnen einen Bauchschuss. Hintergrund für die Fehde: Seit der Gründung ihres hiesigen Ablegers im Jahr 1970 beanspruchen die Hells Angels die Schweiz als ihr alleiniges Territorium.
Andere Rockerklubs wie etwa die Broncos müssen sich unterordnen. Wer sich dieser Ordnung widersetzt, wird bekämpft. Oft mithilfe von sogenannten Support-Klubs der Hells Angels wie zum Beispiel den Kodiaks Thun. So kam es in der Vergangenheit regelmässig zu Strafaktionen gegen rivalisierende Rockergruppen. Damit behalten sie auch die Kontrolle über ihre Geschäfte.
Der einzige Klub, der sich dieser Ordnung widersetzen kann, ist der zweite grosse Klub, der Bandidos MC mit seinen über 5000 Mitgliedern weltweit. Bisher waren die Bandidos in der Schweiz jedoch nicht präsent.
Schweizer Chapter der Bandidos?
Bandido Mike K.* (35) sitzt seit Samstagabend in Untersuchungshaft. «Es gilt nun zu klären, welche Rolle dem Mann im Zusammenhang mit den Ereignissen effektiv zukommt», teilt die Kantonspolizei Bern mit. Gemäss Zeugen soll er auf den Pick-up geschossen haben. Der Österreicher lebte lange Zeit in Spanien und ist deshalb Mitglied der dortigen Bandidos. Heute wohnt er in der Region von Thun BE und ist einer von fünf Bandidos in der Schweiz, die ihre Kutte offen tragen. Bisher haben sie jedoch kein Klubhaus oder gar einen Ableger eröffnet. Ein weiterer Bandido war zuerst Anwärter auf eine Mitgliedschaft bei den Broncos, bevor er zu den Bandidos ging. Seine Kutte ist deshalb mit «Probationary» (auf Probe) gekennzeichnet.
Szenekenner rechnen jetzt mit einer Reaktion der benachbarten Bandidos-Chapter in Deutschland, Italien und Frankreich. Denn sie sind nun unter Zugzwang: Entweder verbieten sie ihren Mitgliedern, in der Schweiz ihre Kutten öffentlich zu tragen, oder aber sie eröffnen hier ein sogenanntes Chapter.
Bereits vor drei Jahren wurden zwei Männer aus der Region Thun als Mitglieder der Bandidos Meran aufgenommen. Inzwischen haben sie den Klub wieder verlassen und sind in keinem MC aktiv. In dieser Zeit kam es zu keinen Auseinandersetzungen - wohl auch, weil sie hierzulande nie Bandidos-Farben trugen. Auf Anfrage wollten weder die Broncos noch die Hells Angels die Ereignisse von Belp kommentieren.
* Name der Redaktion bekannt