Familie Affolter aus Zürich hat für den umstrittenen Eignungstest über 1000 Franken hingeblättert
Multicheck bringt sie auf die Palme

Marcel Affolter (54) hat fünf Kinder, und alle mussten den Multicheck für Lehrstellen vorweisen. Das habe ihn mit Vorbereitungskursen weit über 1000 Franken gekostet. Es sei stossend, dass die private Firma die obligatorische Schule in Frage stelle.
Publiziert: 28.08.2020 um 23:06 Uhr
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Michael Affolter mit seinen fünf Kindern. Er hat über 1000 Franken für den Multicheck ausgegeben.
Foto: zVg
Flavio Razzino

Der Multicheck steht schwer in der Kritik. Viele Lehrbetriebe fordern von Schulabgängern diesen Eignungstest der privaten Firma Gateway aus Bern, um sich überhaupt erst bewerben zu können. Dabei ist der Test wissenschaftlich stark umstritten – und für die Schulabgänger teuer. Bis zu 150 Franken kostet der Multicheck.

Marcel Affolter (54) aus Zürich hält das für pure Abzocke. «Ich habe fünf Kinder – und jedes musste diesen Test für eine Bewerbung vorweisen. Das hat mich zusammen mit Vorbereitungskursen weit über 1000 Franken gekostet», so Affolter zu BLICK. Dabei musste seine Tochter (17) ihren Test gar zwei Mal durchführen. «Obwohl sie als Sek-A-Schülerin einen 5er-Schnitt im Schulzeugnis hat!»

Er fordert Verbot solcher Tests

Er halte es für einen Skandal, dass eine private Firma wie Gateway plötzlich sage, seine Tochter sei für eine Berufslehre nicht geeignet – «obwohl die Schule, die meine Tochter viel besser kennt als diese Firma in Bern, ganz offensichtlich zu einem anderen Schluss kommt». Es dürfe nicht sein, dass Gateway die obligatorische Schule einfach in Frage stellen könne und auch noch Millionen daran verdiene.

Seine Tochter, die heute im zweiten Lehrjahr als Mediamatikerin ist, hatte den Test nach weiteren 100 Franken Gebühren im zweiten Anlauf bestanden. «Doch als ich das Zertifikat der Firma sah, musste ich leer schlucken. Die schreiben doch tatsächlich unter das zweite Testresultat, dass sie den Test wiederholen musste – und geben auch noch das Resultat ihres ersten, schlechteren Tests an. Das macht eine Bewerbung ja noch schwieriger!», sagt Affolter. Er fordert nichts weniger als ein Verbot solcher Multichecks. «Die Politik müsste doch hier längst handeln», ist er überzeugt.

«Kampagne, über dessen Ursprung wir nur spekulieren können»

Die Firma Gateway wehrt sich vehement gegen Kritik an ihrem Produkt – und bezeichnet die BLICK-Berichterstattung als «Kampagne», über dessen Ursprung sie nur spekulieren könne. Der kritisierte Multicheck werde wegen seiner gesellschaftlichen Relevanz nach den «aktuell geltenden wissenschaftlichen Massstäben» und unter Einbezug der Berufspraxis kontinuierlich weiterentwickelt.

Und: «Bei der Entwicklung unserer Analysen orientieren wir uns am Qualitätsstandard DIN 33430, unsere Mitarbeitenden sind zertifiziert. Entsprechend aufwendig und kostenintensiv ist die Entwicklung eines Multichecks.» Auf Wikipedia versuchte Gateway-CEO Adrian Krebs, nachdem BLICK ihn mit Vorwürfen konfrontiert hatte, sämtliche Kritik am Multicheck rauszulöschen. Er wurde daraufhin im Online-Lexikon gesperrt.

Die Gemeindeverwaltung Egerkingen SO reagierte unterdessen. Schulabgänger können künftig für Bewerbungen auf den Multicheck verzichten. Neu werden auch alternative Eignungsanalysen der Schulen akzeptiert.

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