Carlos (18) ist in einem neuen Sondersetting. Was gleich bleibt, ist der viel kritisierte Umgang mit dem vorbestraften Thaiboxer Shemsi Beqiri und dessen Familie. Im holländischen Zevenbergen war der jugendliche Delinquent nun in der Nähe des Superpro Sportcenters von Beqiris Manager Dennis Krauweel untergebracht. Er sei aber nicht zum Thaiboxen gegangen, sondern betreibe nur Fitness-Training, behauptet die Zürcher Justizdirektion.
Ehrekodex verbietet Kampf auf der Strasse
Die Frage bleibt: Wie gesund ist dieses Umfeld für einen jugendlichen Gewalttäter wie Carlos? Welche Effekte Kampfsport auf aggressive Jugendliche hat, ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
Krauweel betont gegenüber BLICK zwar: «Ich verurteile Gewalt ausserhalb des Rings.» Ausserdem gebe es einen Ehrenkodex unter Kampfsportlern: Ausserhalb des Rings wird nicht zugeschlagen. Aber genau damit macht die Thaibox-Szene immer wieder Schlagzeilen. Und es handelt sich dabei nicht um Anfänger. Es sind Thaibox-Weltmeister, die ohne Regeln Gewalt ausüben.
Vergangene Woche stürmten vermummte Schläger das Kampfsportzentrum Superpro in Reinach BL. Der Ort, an dem Besitzer Shemsi Beqiri den jugendlichen Straftäter Carlos einst trainierte.
Anführer ist Thaibox-Weltmeister
«Sie waren mit Pistolen, Schlagstöcken und Baseballschlägern bewaffnet», erzählte ein Augenzeuge. Keine Regeln, keine Ringrichter – nur brutale Gewalt, die für einige mit einem Spitalaufenthalt endete. Heute ist klar: Angeführt wurde der Schlägertrupp vom mehrfachen Thaibox-Weltmeister und Diamond-Gym-Besitzer Paulo Balicha. Die Staatsanwaltschaft hat für ihn Untersuchungshaft beantragt.
Von einer Abrechnung unter Konkurrenten ist die Rede. Die beiden Profi-Kampfsportler haben sich zuvor wochenlang auf Facebook provoziert.
Ein unbeschriebenes Blatt ist auch Rivale Shemsi Beqiri nicht. Das Opfer von verganger Woche ist selbst vorbestraft. 2012 lieferte er sich eine wüste Schlägerei – ohne Regeln, ohne Ringrichter. Auf offener Strasse attackierte der Thaibox-Weltmeister einen ehemaligen Trainingspartner.
«Wir sind keine Schlägertrupps»
Unvergessen bleibt ein Vorfall von 2005, als Bashkim Berisha, ebenfalls Weltmeister im Thaiboxen, in Dübendorf einen Mann erschoss. Berisha, der später als «Parkplatz-Mörder» Schlagzeilen machte, wurde als 12-Jähriger von Sozialarbeitern zu Therapiezwecken ins Thaiboxen geschickt.
Werden im Thaibox-Training Kampfmaschinen herangezüchtet? «Auf keinen Fall!», sagt Gianfranco Manzan, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Thaibox-Verbandes Muay Thai. «Wir sind keine Schlägertrupps.» Schwarze Schafe gäbe es aber immer. Aber solche Leute wolle man im Verband nicht, sie würden ausgeschlossen.
So wurde auch Shemsi Beqiri aus dem Verband ausgeschlossen. Umso erstaunlicher die Tatsache, dass der gesamte Beqiri-Clan Carlos auch in seinem neuen Sondersetting in Holland besuchen konnte.
Der Sport habe nichts mit Gewalt zu tun, sagt Gianfranco Manzan: «Wenn du jemanden umbringen willst, dann brauchst du kein Thaibox-Training.» Er schätzt die Thaibox-Szene in der Schweiz auf rund 40 Clubs, die je zwischen 20 und 100 Mitgliedern zählen. Mehr als die Hälfte von ihnen sei dem Verband angeschlossen. Es ärgert ihn, dass schwarze Schafe die ganze Szene in den Dreck ziehen.
Polizei bei Fällen mit Thaiboxern vorsichtiger
Und er ergänzt: «Wer ins Thaibox-Training geht, ist nicht unbedingt ein Kämpfer. Die wenigsten steigen in den Ring.» Viele würden im Club nur Kondition und Technik trainieren. Darunter Erwachsene, Kinder, Hochschulabsolventen und Bauarbeiter.
Ob Kampfsportler besonders gewalttätig sind, dazu gibt es keine Zahlen. «Wenn wir zu einer Schlägerei gerufen werden, wissen wir meist nicht, wer uns dort erwartet. Und auch im Nachhinein erfassen wir die Hobbys der Schläger nicht», sagt Meinrad Stöcklin von der Polizei Basel-Landschaft zu Blick.ch.
Solche Informationen würden der Polizei aber durchaus nützen, findet Hanspeter Krüsi von der Kantonspolizei St. Gallen. «Wenn wir wüssten, dass wir einen Thaiboxer verhaften müssten, würden wir definitiv vorsichtiger an die Sache rangehen.»