In der Berner Schwellenmatte raste am 12. September 2015 ein Mann (heute 54) in eine Menschenmenge. Der Fahrer war ein Türke, der in der Hauptstadt an einer Demo einer regierungstreuen türkischen Partei teilnehmen wollte. Als die Polizei sein Auto und ein weiterer Wagen von seinen Verwandten in die Schwellenmatte hinunter gewinkt hatte, um dort zu parkieren, geriet er in eine Gruppe Kurden. Die gewaltbereiten jungen Männer bereiteten sich soeben auf eine Gegendemonstration vor – und attackierten die beiden Autos.
Was dann geschah, hielten Leser-Reporter auf Video fest: Der Türke wollte mit dem Auto fliehen – und fuhr mit seinem Mercedes absichtlich mehrere Menschen um. Fünf Personen wurden bei der Amok-Fahrt verletzt.
Ein Autokleber der rechtsextremen Türken-Partei «Graue Wölfe» auf dem Mercedes hatte damals die jungen PKK-Anhänger dazu provoziert, die beiden Autos mit Stangen anzugreifen. Die Cousine des Mercedes-Fahrers, die damals ebenfalls im Wagen sass, erklärt wenige Tage nach dem Vorfall im BLICK: «Wir sind um unser Leben gefahren. Wir hatten Todesangst.»
War es Notwehr?
Diese Woche hätte dem 54-Jährigen den Prozess gemacht werden sollen. Er ist angeschuldigt der versuchte Tötung, eventuell der vorsätzlichen versuchten schweren Körperverletzung. In Betracht gezogen wird jedoch auch rechtfertigende Notwehr.
Der Angeschuldigte erschien am Montagmorgen am Berner Regionalgericht. Auch sechs Privatkläger, mehrere Anwälte, ein Dolmetscher, eine Gerichtsschreiberin und fünf Richter fanden sich im Gerichtssaal ein.
Richter eröffnet Prozess gar nicht erst
Doch der Gerichtspräsident erklärte zum Auftakt, dass zu erwarten sei, dass der einwöchige Prozess aufgrund der vielleicht demnächst getroffenen Massnahmen zur Corona-Pandemie nicht bis zum Ende durchgeführt werden könne. «Deshalb eröffnen wir den Prozess erst gar nicht. Es wird ein neues Datum angesetzt.»
Verärgert erhob sich einer der Kurden und sagte gereizt, dass das Gericht den Prozess besser hätte planen sollen. Er sei schliesslich extra von Deutschland gekommen und über zwei Stunden Auto gefahren. Nach Abbruch des Prozesses versammelte sich die Kurdengruppe vor dem Amtshaus – und warf dem rasch davon eilenden Türken und seiner Begleitung noch böse Blicke hinterher.