Samuel Widmer (66) und die Anhänger seiner Kirschblütengemeinschaft glauben an freie Liebe, «ehrbaren Inzest», Bigamie und Psychotherapie mit Drogen. Zwischen 1988 und 1993 durfte Widmer diese Form der Therapie, die Psycholyse, mit Erlaubnis des Bundesamts für Gesundheit durchführen. Danach wurde ihm die Bewilligung, mit LSD und Ecstasy zu hantieren, wieder entzogen.
Laut ehemaligen Jüngern änderte das aber nichts an Widmers Vorgehen. Er experimentiere seit rund 30 Jahren mit illegalen Substanzen, viele Hundert Personen seien beteiligt gewesen. Wie der «TagesAnzeiger» heute schreibt, löste die Anzeige einer sozialen Institution vergangenen Donnerstag eine Drogen-Razzia beim Guru aus.
Die Dorfbewohner von Nennigkofen-Lüsslingen SO berichten von einem grossen Polizeiaufgebot und drei Hausdurchsuchungen. Die Staatsanwaltschaft bestätigt ein Strafverfahren – Verhaftungen habe es aber keine gegeben. «Ein Tatverdacht, welcher die Aufrechterhaltung der Haft gerechtfertigt hätte, konnte nicht erhärtet werden.»
Kinder als Drogenboten
Die Kirschblüter-Aussteiger wunderts nicht, dass die Beamten keine Drogen finden konnten. Gelagert würden die Substanzen bei Widmers Anhängern, allerdings nicht in der direkten Nachbarschaft. Als Bote setze er gelegentlich eines seiner elf Kinder ein.
Widmer bestreitet, verbotene Drogen zu benutzen. «Heute arbeite ich nur noch mit ganz normalen, registrierten Medikamenten, die jeder Arzt einsetzen kann.» Die Rede ist von Ketamin und Ephedrin. Alles nur Tarnung, sagen Aussteiger. Die Medikamente würden zwar eingekauft, aber nicht benutzt. «Wir konnten uns mit den Medikamenten für den Privatgebrauch eindecken. Was übrig blieb, wurde entsorgt.»
Ein ehemaliges Mitglied erwähnt den aktuellen Meisterkurs mit knapp 90 Teilnehmern. Bei jeder Sitzung würden ausschliesslich LSD, Ecstasy und andere illegale Drogen zum Einsatz kommen. Auch Widmer und seine Lebenspartnerin seien dabei «verladen».
Widmer warnt Mitglieder vor U-Haft
Dem «TagesAnzeiger» liegt ein Papier vor, das die Seminar-Teilnehmer auf die strafrechtlichen Konsequenzen des kollektiven Drogenkonsums, intern als «Reise» bekannt, aufmerksam macht. Die Anhänger werden darauf hingewiesen, dass sie mit Hausdurchsuchung, Beschlagnahmung oder mit U-Haft rechen müssen. Der Grund: Man bewege sich «in einem illegalen Rahmen, weil die meisten von uns verwendeten Substanzen verboten sind.»
Und die Lösung: «Keinesfalls sollte man sich zur Sache äussern.» Denn: «Auch lügen (als Angeklagter) ist im Strafprozess gesetzlich nicht sanktioniert.» (lex)