Die Mörderin vom Florapark
Vor den Augen der Polizei schnitt sie ihm die Kehle durch

Sie wollte einen Menschen töten. Diesen irren Wunsch trug Tanja H.* (22) jahrelang in sich. Jetzt hat sie ihn in die Tat umgesetzt. Fassungslos sagt ihre Mutter: «Meine Tochter ist psychisch krank. Ich hoffte, die Ärzte könnten ihr helfen.»
Publiziert: 23.11.2008 um 08:28 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:53 Uhr
Von Silvana Guanziroli und Hansjakob Frey

Es ist eine Hoffnung, die sich letzten Montag in Luft aufgelöst hat. Tanja H. massakriert im Florapark in Bern einen 52-jährigen Mann. 20 Mal sticht sie mit dem Messer auf ihn ein. Anwohner hören die Todesschreie, alarmieren die Polizei. Das Opfer ist der Tamile Adalarachan S.* Als die Beamten eintreffen, sitzt die junge Frau noch auf dem zweifachen Vater. Sie ist im Blutrausch. «Vor den Augen der Polizei schnitt sie dem Mann die Kehle durch», berichtet ein Augenzeuge.

Ihre Tochter – eine brutale Mörderin. Das weiss Dagmar H.* (49) seit Freitag. An diesem Morgen bestätigt ihr die Polizei Tanjas Verhaftung. SonntagsBlick trifft die Mutter an ihrem Wohnort in Mönchaltorf ZH. Mit Tränen in den Augen sagt sie: «Es ist schwer, mit dieser Gewissheit umzugehen. Doch Tanja bleibt meine Tochter, ich werde zu ihr stehen.» Dann berichtet die Frau von der langen Leidensgeschichte ihres Kindes. «Schon als sie zwei Jahre alt war, merkten wir, dass etwas nicht stimmt.»

Tanja H. ist ein schwieriges Kind. Mit elf Jahren verletzt sie sich mit dem Messer selbst. Zu dieser Zeit verspürt das Mädchen erstmals den Wunsch, einen Menschen zu töten. Das erzählt sie später ihren Psychiatern. Die Mutter suchte Hilfe bei Ärzten. «Es wurden eine Sozialphobie und ein Borderline-Syndrom diagnostiziert. Sie frass alles in sich hinein. Dann explodierte sie plötzlich», so die Mutter.

Wie gefährlich Tanja H. wirklich ist, zeigt sie schon mit 16 Jahren: Sie rammt ihrem älteren Bruder ein Messer in den Rücken. Er überlebt nur, weil das Messer am Schulterblatt abbricht. Die Mutter: «Das war ein gewaltiger Schock. Daran zerbrach unsere Familie.»

Die Eltern lassen sich scheiden, Tanja H. kommt nach Bern in die Jugendpsychiatrische Klinik Neuhaus. Schulfreundin Sabine S.* (22) besuchte sie dort drei Mal. «Beim letzten Treffen hatte ich wirklich Angst. Sie hatte einen Zeitungsartikel über die ‹Parkhausmörderin› an der Wand hängen. Sie zeigte darauf und sagte: ‹Das ist mein Vorbild.› Ich brach den Kontakt ab.»

Tatsächlich trifft Tanja H. ihr Vorbild wenig später in der Strafanstalt Hindelbank. Sie muss in den Knast, weil sie im August 2003 ein Optiker- und ein Schuhgeschäft überfällt. Sie landet im gleichen Hochsicherheitstrakt, in dem auch Parkhausmörderin Caroline H. einsitzt, die in den 90er-Jahren drei Menschen mit dem Messer tötete.

Im Gegensatz zur Dreifachmörderin kam Tanja H. vor einem Jahr wieder frei. Zunächst wohnte sie wieder in der Klinik Neuhaus. Vor drei Wochen durfte sie in eine WG im Mattenhofquartier, ganz in der Nähe des Tatorts, umziehen. Kaum in Freiheit, tritt Tanja H. wieder als gefährliche Psychopathin in Erscheinung. 2008 wird sie 17 Mal von der Polizei verhaftet. Sie trägt mehrere Messer auf sich, klebt sie an ihren Körper.

«Darüber wurden wir informiert», sagt Annemarie Beglinger (49), Gemeindepräsidentin von Mönchaltorf. Seit Mai 2008 betreut ihre Vormundschaftsbehörde Tanja H., wie die Sendung «10 vor 10» berichtete. Die Behörde beruft im September ein dringliches Treffen ein. Daran nehmen Gianni Zarotti, leitender Oberarzt der Jugendpsychiatrischen Klinik, ein Vertreter der Kantonspolizei Bern und der Beistand von Tanja H. teil. Beglinger: «Der Psychiater schätzte die Frau als ‹nicht fremdgefährdend› ein.»

Jetzt untersuchen die Berner Behörden, ob bei der psychiatrischen Beurteilung Fehler gemacht wurden. Zarotti wollte sich zu den Vorwürfen nicht äussern. «Ich stehe unter ärztlicher Schweigepflicht.»

Mutter Dagmar H. hatte daran geglaubt, dass ihr Kind eine Zukunft in Freiheit vor sich hätte. «Vor zwei Wochen hat sie mich noch hier in Mönchaltorf besucht.» Doch jetzt dürfte ihr Tochter für immer verwahrt bleiben.

* Namen von der Redaktion geändert

Der Fall
18. November 2008
Tanja H. (22) bietet sich auf dem Drogenstrich in Bern als Prostituierte an. Sie trifft auf einen 52-jährigen Tamilen. Im Florapark bedient sie den Mann oral. Als es beim Freier nicht klappt, tötet sie ihn mit 20 Messerstichen.

Oktober 2008
Tanja H. kann sich in Bern völlig frei bewegen. Sie zieht in eine betreute WG im Mattenhofquartier ein. Die zuständige Vormundschaftsbehörde in Mönchal-torf ZH erfährt davon erst eine Woche später. Sie meldet Bedenken an. Es passiert nichts.

September 2008
Die Vormundschaftsbehörde Mönchaltorf beruft im Fall Tanja H. eine dringliche Sitzung ein. Allein 2008 wird Tanja H. von der Polizei 17 Mal verhaftet. Meistens trägt sie ein Messer auf sich. Trotzdem sagt der zuständige Psychiater, sie sei keine Gefahr für Dritte.

Sommer 2007
Tanja H. wird nach drei Jahren Haft aus dem Frauengefängnis Hindelbank entlassen.
18. November 2008
Tanja H. (22) bietet sich auf dem Drogenstrich in Bern als Prostituierte an. Sie trifft auf einen 52-jährigen Tamilen. Im Florapark bedient sie den Mann oral. Als es beim Freier nicht klappt, tötet sie ihn mit 20 Messerstichen.

Oktober 2008
Tanja H. kann sich in Bern völlig frei bewegen. Sie zieht in eine betreute WG im Mattenhofquartier ein. Die zuständige Vormundschaftsbehörde in Mönchal-torf ZH erfährt davon erst eine Woche später. Sie meldet Bedenken an. Es passiert nichts.

September 2008
Die Vormundschaftsbehörde Mönchaltorf beruft im Fall Tanja H. eine dringliche Sitzung ein. Allein 2008 wird Tanja H. von der Polizei 17 Mal verhaftet. Meistens trägt sie ein Messer auf sich. Trotzdem sagt der zuständige Psychiater, sie sei keine Gefahr für Dritte.

Sommer 2007
Tanja H. wird nach drei Jahren Haft aus dem Frauengefängnis Hindelbank entlassen.
Mörderinnen in der Schweiz
• Am 18. April 2000 tötet die Kosovarin Saljihe ihren eigenen Schwiegersohn auf offener Strasse mit sieben Schüssen. Die Mutter hatte die Beziehung ihrer Tochter mit dem Mann nicht akzeptiert. Zur Tat kam es nach einem Streit.

• Der Giftpilzmord von Uerikon ZH bewegte die Schweiz. Simone S. (25) tötete ihren Mann Martin (25) 1993 mit dem Gift von Knollenblätterpilzen. Das Mordkomplott hatte sie zusammen mit ihrem Geliebten geplant.

• Carmen Mory ging als Todesengel von Adelboden in die Geschichte ein. 1930 wanderte sie nach Deutschland aus. Während des Krieges kam sie in ein KZ. Sie ermordete Mitgefangene und wurde vor ein Kriegsgericht gestellt.

• 1885 kommt es auf einem Bündner Maiensäss
zu einem Axtmord. Die Tat wurde von einer Frau begangen: Anna Maria tötete ihren Ehemann nach einem Streit. Sie muss 25 Jahre ins Zuchthaus, 20 Jahre davon in Isolationshaft.


• Am 18. April 2000 tötet die Kosovarin Saljihe ihren eigenen Schwiegersohn auf offener Strasse mit sieben Schüssen. Die Mutter hatte die Beziehung ihrer Tochter mit dem Mann nicht akzeptiert. Zur Tat kam es nach einem Streit.

• Der Giftpilzmord von Uerikon ZH bewegte die Schweiz. Simone S. (25) tötete ihren Mann Martin (25) 1993 mit dem Gift von Knollenblätterpilzen. Das Mordkomplott hatte sie zusammen mit ihrem Geliebten geplant.

• Carmen Mory ging als Todesengel von Adelboden in die Geschichte ein. 1930 wanderte sie nach Deutschland aus. Während des Krieges kam sie in ein KZ. Sie ermordete Mitgefangene und wurde vor ein Kriegsgericht gestellt.

• 1885 kommt es auf einem Bündner Maiensäss
zu einem Axtmord. Die Tat wurde von einer Frau begangen: Anna Maria tötete ihren Ehemann nach einem Streit. Sie muss 25 Jahre ins Zuchthaus, 20 Jahre davon in Isolationshaft.


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