BLICK lüftet das Oster-Geheimnis
Angsthasen sind schuld am Gotthard-Stau

1000 Fahrzeuge dürfen pro Stunde durch den Gotthard-Tunnel fahren. Ein Auto zählt einfach, ein LKW dreifach. So viele sind es aber nie: In der Praxis höchstens 700. Schuld an den Staus sind ängstliche oder trödelnde Fahrer.
Publiziert: 27.03.2018 um 23:30 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 20:35 Uhr
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Auch bei wenig Verkehr kann es im Gotthard-Strassentunnel zu Stau kommen.
Foto: Keystone
Andrea Willimann

Wer an Ostern durch den Gotthard-Strassentunnel fährt, erwartet Stau. Aber wieso sind die Blechschlangen auch lang, wenn es auf der Anfahrtsstrecke im Reusstal oder in der Leventina nur wenig Verkehr hat? Piesackt da jemand auf der Dosier-Leitstelle die Reisefreudigen?

«Sicher nicht», sagt Thomas Rohrbach (46), Mediensprecher des Bundesamtes für Strassen (Astra), gegenüber BLICK: «Massgebend ist der Verkehrsfluss im Tunnel. Wir müssen verhindern, dass sich im Gotthard-Strassentunnel Staus bilden. Oder gar ein Stau-Ende gleich nach der Tunneleinfahrt entsteht.» 

Nur rund 700 PW-Einheiten statt 1000 pro Stunde

Die Staus haben also nicht nur mit dem Verkehrsvolumen zu tun, sondern auch mit ängstlichen oder trödelnden Fahrern im Tunnel, wie Rohrbach aufzeigt.

Foto: BLICK Grafik

Die Gotthard-Kantone Uri und Tessin betreiben seit der Brandkatastrophe 2001 auf den Tunnel-Zufahrten ein Tropfenzählersystem. Seither dürfen pro Stunde maximal je 1000 Fahrzeug-Einheiten die Röhre in einer Richtung durchfahren. Ein Lastwagen entspricht dabei drei Einheiten.

Da Fahrzeuglenker oft zu langsam durch den Gotthard tuckern und nicht wie erlaubt mit Tempo 80, beträgt der Durchschnitt nur rund 700 Einheiten pro Stunde. 

Staus bei wenig Verkehr? Klar, sagt Astra-Sprecher Thomas Rohrbach. «Massgebend ist der Verkehrsfluss im Tunnel.»
Foto: SRF

Mitverantwortlich sind auch Angsthasen, die übermässig und oft bremsen und damit eine Kettenreaktion auslösen, bis ein erstes Fahrzeug zum Stillstand kommt. Dieser «Handorgel»-Effekt entgeht der Tunnel-Überwachung nie. Die Aufsicht in Flüelen verfolgt den Verkehrsfluss mittels Kameras und Bodensensoren. «Unser Personal weiss auf jedem Tunnelmeter was geht – oder nicht. Es kann in die automatische Dosierung mittels Ampeln sofort eingreifen», so Rohrbach. Mit häufigeren und längeren Rotphasen gibt es mehr Stau.

Psychologisches Problem besteht auch bei zwei Tunnelröhren

Doch für alle Oster-Reisenden gibt es einen Trost: Sind die Staus vor den Tunnelportalen so richtig lang, fahren die Auto- und LKW-Lenker oft gleichmässiger. «Dann bringen wir es auf einen Schnitt von 800 bis 850 Einheiten pro Stunde», sagt der Astra-Sprecher. Nur 1000 sind es nie.

Ferienzeit ist Wartezeit vor dem Gotthard-Strassentunnel. Nicht immer ist es aber das Verkehrsvolumen, das die Staus verursacht.
Foto: Keystone

Zu erwarten ist dies auch nicht nach der Eröffnung des neuen Gotthard-Strassentunnels 2025 mit richtungsgetrenntem Verkehr. Die Psyche der Autofahrer ändert sich mit zwei Röhren nicht, zeigen Erfahrungen mit dem Belchen-Tunnel im Mittelland. Allein schon die langen, dunklen Röhren und der Gegenverkehr irritieren die Fahrzeuglenker. Obwohl es eigentlich gar nicht so eng ist: Der Strassenraum im Belchen ist 7,6 Meter breit.

Aber schuld sind die Gefühle. Wie Verkehrspsychologe Uwe Ewert (58) von der Beratungsstelle für Unfallverhütung erklärt, fühlen sich viele Leute in einer Tunnelröhre schlicht unwohl. «Auch wenn sie sonst nicht unter Platzangst leiden, vermissen sie vielleicht die Helligkeit oder erinnern sich bei der Tunneleinfahrt an Unglücksfälle.» 

Verkehrspsychologe Uwe Ewert hat eine Erklärung für die vielen Schleicher im Gotthard-Strassentunnel: «Auch wenn sie sonst nicht unter Platzangst leiden, vermissen sie vielleicht die Helligkeit oder erinnern sich bei der Tunneleinfahrt an Unglücksfälle.»
Foto: zVg

In anderen Tunnels hat es viel mehr Verkehr

Klar ist: Sicherheit geht am Gotthard vor. An einem richtig starken Ferienreisetag werden gegen 30‘000 Fahrzeuge pro Tag im Tunnel gezählt. Im Jahresschnitt sind es in beide Richtungen insgesamt 17‘000 Fahrzeuge pro Tag. Und noch ein Vergleich für Angsthasen: Im Gubrist-Tunnel ist das Verkehrsaufkommen viel höher: Dort werden 120‘000 Fahrzeuge pro Tag registriert.

Ärgernis vor dem Südportal bleibt

Die Gotthard-Dosierstelle auf der Tessiner Seite befindet sich – nach den langen Bauarbeiten auf der A2 – wieder am ursprünglichen Ort: nach der Ausfahrt zur Gotthard-Raststätte in Quinto. Das heisst, alle Superschlauen können den Stau via Raststätten-Areal wieder umfahren und weiter vorne einspuren. Ein altbekanntes, ärgerliches Phänomen.

Laut Astra-Sprecher Thomas Rohrbach (46) lässt sich dieses Ärgernis nicht beheben: «Es ist wichtig, dass sich die Dosierstelle möglichst nahe vor dem Gotthard-Tunnelportal befindet.» Nur so könnten überhitzte Lastwagen mit Wärmesensoren aufgespürt und aus dem Verkehr gezogen werden. Dieses Vorgehen mache weit unterhalb des Tunnels keinen Sinn.   

Die Gotthard-Dosierstelle auf der Tessiner Seite befindet sich – nach den langen Bauarbeiten auf der A2 – wieder am ursprünglichen Ort: nach der Ausfahrt zur Gotthard-Raststätte in Quinto. Das heisst, alle Superschlauen können den Stau via Raststätten-Areal wieder umfahren und weiter vorne einspuren. Ein altbekanntes, ärgerliches Phänomen.

Laut Astra-Sprecher Thomas Rohrbach (46) lässt sich dieses Ärgernis nicht beheben: «Es ist wichtig, dass sich die Dosierstelle möglichst nahe vor dem Gotthard-Tunnelportal befindet.» Nur so könnten überhitzte Lastwagen mit Wärmesensoren aufgespürt und aus dem Verkehr gezogen werden. Dieses Vorgehen mache weit unterhalb des Tunnels keinen Sinn.   

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