Hirte Michael Berger (24) ist im zweiten Sommer auf der Alp Chroneberg oberhalb von Sangernboden BE. Er kümmert sich um 36 Rinder, sieben Milchkühe und sechs Kälber. Diesen Sommer sind seine Freundin, deren vierjährige Tochter und eine Cousine bei ihm auf der Alp. Zur Familie gehört auch Hündchen Lili, ein vier Monate alter Bergamasker-Border-Collie-Mischling. Dann geschieht ein Drama.
«Lili sollte nächstes Jahr ein Treibhund werden», sagt Berger. «Sie war auf dem besten Weg dazu.» Das kleine Mädchen und Lili waren dicke Freunde. «Sie gingen jeden Tag zusammen spazieren», sagt Berger. So auch am Dienstagmorgen vergangener Woche. Marlen Berger (22), die Cousine des Hirten, will mit dem Mädchen und Lili Rinder zusammentreiben. Die drei sind nur rund 80 Meter von der Alphütte entfernt. Lili geht voraus.
«Als Nächstes sah ich zwei Wölfe, die beide ihre Zähne in Lili geschlagen hatten», erzählt Marlen Berger. «Einer wollte mit ihr in der Schnauze wegrennen. Ich schaffte es, die beiden Bestien zu verjagen.» Doch es ist zu spät.
Lili hatte keine Chance
Hündchen Lili hat keine Chance, ist sofort tot. Michael Berger alarmiert den Wildhüter. Der nimmt den Kadaver mit, er wird im Tierspital Bern untersucht. Die DNA-Analyse macht ein darauf spezialisiertes Labor in Lausanne.
«Wir nehmen diesen Vorfall sehr ernst», sagt Wildhüter Niklaus Blatter zu BLICK. «Was die Leute gesehen haben, haben sie gesehen. Wir müssen uns aber an die Fakten halten.»
Fakt ist: An der Bisswunde von Lili wurden fünf DNA-Proben entnommen. «Vier davon weisen auf einen Hund hin. Die fünfte steht noch aus», sagt Blatter. «Es wäre das erste Mal, dass ein Hund nachweislich von Wölfen getötet wurde. Es ist sehr schwierig, eine Wolf-DNA auf einem Hund nachzuweisen.»
Eine Grenze überschritten
Bekannt ist, dass es im Gantrischgebiet eine Wölfin gibt. «Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es sogar zwei Wölfe sind», sagt Blatter. Michael Berger hat Konsequenzen gezogen. «Für uns ist eine Grenze überschritten», sagt der Hirte. «Wir brachten unsere Kleine sofort ins Tal. Ich darf gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn sie versucht hätte, Lili zu beschützen.»
Für Berger ist klar: «Wölfe haben meine kleine Lili totgebissen. Wildtiere müssen dort leben, wo die Natur ist. Hier bei uns geht das nicht.»
Lili wird bei einem Stein neben der Alphütte begraben werden: «Unser Hündchen soll nun immer bei uns sein.»