Urteil zum tödlichen F/A-18-Unglück beim Susten
Freispruch für Piloten, Lotse schuldig gesprochen

Im Jahr 2016 kollidierte ein Kampfjet der Luftwaffe mit einer Felswand beim Sustenpass. Der Pilot verlor dabei sein Leben. Am Dienstag ist nun das Urteil gefallen.
Publiziert: 04.01.2024 um 08:33 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2024 um 21:12 Uhr
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Der Fall wird vor dem Militärgericht 2 behandelt.
Foto: Daniel Jung

Das Urteil zum tödlichen Unfall einer F/A-18 von 2016 am Sustenpass ist gefallen. Das Militärgericht in Muttenz BL hat am Dienstag den angeklagten Fluglotsen (41) der Skyguide der fahrlässigen Tötung für schuldig erklärt. Er wurde zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 170 Franken verurteilt. Die übrigen Verfahren – unter anderem wegen fahrlässiger Nichtbefolgung von Dienstvorschriften und Verschleuderung von Material – wurden eingestellt. Zudem wurden dem Mann Verfahrenskosten in der Höhe von rund 40'000 Franken auferlegt.

Das Gericht sah den Fluglotsen im Gegensatz zum ebenfalls angeklagten Militärpiloten in einer Mitverantwortung für den tödlichen Unfall. Auch wenn man einbeziehe, dass bei ihm viele unglückliche Umstände zusammengelaufen seien, habe einen verheerenden Fehlentscheid getroffen, sagte der vorsitzende Richter bei der Urteilsbegründung.

Zu tiefe Flughöhe angegeben

Dieser Fehlentscheid bestand darin, dass er dem später verunglückten Piloten (†27) eine zu niedrige Flughöhe zugewiesen hatte. Statt der für den Ostabflug in Meiringen BE vorgeschriebenen Mindesthöhe von 15'000 Fuss hatte er 10'000 Fuss verfügt, was für den Überflug des Sustenpasses deutlich zu niedrig war.

Der Pilot flog 59 Sekunden nach der fehlerhaften Flughöhenangabe mit hoher Geschwindigkeit rund elf Meter unterhalb des Grats in eine Felswand des Hinter Tierbergs.

Dem vorausfliegenden Leader-Piloten (40) sprach das Gericht keine Schuld zu. Die Abweichungen vom vorgeschriebenen Abflugprofil – er war teils zu steil und zu langsam unterwegs – seien nach Aussage der Sachverständigen nicht gravierend gewesen, so der vorsitzende Richter. Dazu sei gekommen, dass der verunglückte Trailer-Pilot die Startvorgaben mit seinem zu flachen Steigflug ebenfalls nicht eingehalten habe.

Das hatte zur Folge, dass der Trailer-Pilot sein Radar nicht auf dasjenige seines Leaders habe aufschalten können. Dies habe aber nicht kausal zum Unglück geführt. 

Prozeduren bereits angepasst

Ob das Urteil weitergezogen wird, liessen Verteidiger wie Anklage offen. «Vorliegend ging es nicht unbedingt um das Strafmass», sagte Ankläger Daniel Aepli (41). «Wichtig war, dass es zu einer Verurteilung gekommen ist.» 

Urs Lauener (58), Chief Operating Officer der Skyguide, betonte: «Das Verfahren hat einen Einblick gegeben in die Komplexität und die unglückliche Verkettung von Umständen, die zum tragischen Unglück geführt haben.» Prozeduren seien bereits angepasst worden. «Den Angehörigen sprechen wir nochmals unser tief empfundenes Mitleid aus», sagte er. Als Arbeitgeber stehe Skyguide weiterhin voll und ganz hinter dem Lotsen. «Wir haben vollstes Vertrauen in seine Fähigkeiten.»

09.01.2024, 19:44 Uhr

Verteidiger des Fluglotsen: «Es handelt sich bei Urteil um unbewusste Fahrlässigkeit»

Nach der Urteilsverkündigung weist Philipp Studer, Verteidiger des verurteilten Fluglotsen, darauf hin, dass sein Mandant wegen «unbewusster Fahrlässigkeit» verurteilt worden sei. Zudem sei die Geldstrafe relativ mild ausgefallen.

09.01.2024, 19:31 Uhr

Das sagt der Ankläger zum Urteil

Ankläger Daniel Aepli zeigt sich nach der Urteilsverkündung zufrieden. «Das Gericht hat mit der Verurteilung des Fluglotsen festgehalten, dass dieser einen Fehler gemacht hat und dadurch der Unfall passiert ist», so Aepli zu Blick. 

Dem Urteil des Gerichts nach habe auch der Pilot Fehler gemacht, gleichzeitig sei man zum Schluss gekommen, dass der Unfall nicht dadurch zustande gekommen sei. Das Strafmass erachtet Aepli als sekundär. «Wichtig war, dass es zu einer Verurteilung kommt.»

09.01.2024, 19:00 Uhr

Skyguide-COO zum Urteil: «Ein solcher Unfall kann nicht mehr passieren»

Nachdem am Dienstag der Pilot vor dem Militärgericht in Muttenz BL freigesprochen und der Lotse wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen wurde, hat der COO von Skyguide, Urs Lauener, zum Gerichtsurteil Stellung genommen. «Wir nehmen den Entscheid zur Kenntnis und werden jetzt die schriftliche Urteilsbegründung abwarten», so Lauener zu Blick.

Das Verfahren habe einen Einblick in die Komplexität der unglücklichen Umstände, die zu dem tragischen Unfall geführt hätten, gegeben. Tragödien wie diese sollen künftig verhindert werden: «Wir konnten im Rahmen der Aufarbeitung zusammen mit der Luftwaffe dafür sorgen, dass die Prozeduren angepasst werden und ein solcher Unfall nicht mehr passieren kann.»

09.01.2024, 17:26 Uhr

Urteilseröffnung beendet

«Damit habe ich geschlossen», sagt Richter Hofer zuletzt. Blick wird noch einige Reaktionen auf das Urteil einholen. 

09.01.2024, 17:24 Uhr

«Im Verfahren kooperativ verhalten»

«Sie weisen eine tadellose Berufsführung auf», sagt der Richter zum Fluglotsen. Er habe sich im Verfahren kooperativ verhalten und letztlich auch Anteilnahme gezeigt. Dies seien strafmildernde Komponenten. Die Probezeit für die bedingte Geldstrafe liegt bei zwei Jahren. Aufgrund der Verurteilung wären die Kosten des Verfahrens grundsätzlich dem Fluglotsen aufzuerlegen. «Aufgrund der enormen Höhe werden diese jedoch reduziert», erklärt der Richter. Gegen das Urteil kann in den nächsten fünf Tagen Rekurs eingelegt werden. 

09.01.2024, 17:20 Uhr

Beim Lotsen gibt es den Kausalzusammenhang

Der Tatbestand der unbewusst fahrlässigen Tötung sei deshalb erfüllt. Es gebe also einen direkten Kausalzusammenhang zwischen den Handlungen des Fluglotsen und dem Tod des Piloten. Auch sei der Tod grundsätzlich vermeidbar gewesen, hätte sich der Lotse anders verhalten. Es sei jedoch klar eine Geldstrafe am unteren Rand des Strafrahmens angezeigt. Der Lotse habe den Todesfall zwar verursacht. Er stand jedoch unter sehr grossem Stress. «Sie mussten eine weitreichende Entscheidung in Sekundenbruchteilen fällen», so der Richter zum Lotsen. «Mehrere unglückliche Umstände verketteten sich.» 

09.01.2024, 17:16 Uhr

«Vielmehr ist es eine Fremdgefährdung»

Der Fluglotse habe zwar unmittelbar Dübendorf kontaktiert, dabei jedoch zuerst auf den «Break-Lock» hingewiesen, und erst danach auf das zu tiefe Fluglevel. Ein Teil der Aussagen des Fluglotsen im Prozess wird vom Gericht als «Schutzbehauptung» angesehen. «Es kann auch nicht mehr von einem sogenannten erlaubten Risiko gesprochen werden», so der Richter. Der Pilot müsse auf eine Höhenangabe durch die Flugsicherung vertrauen können. «Auch wenn der Pilot grundsätzlich die Mindesthöhe in diesem Gebiet auch hätte kennen müssen», so Hofer. Der Pilot habe sich nicht selbst gefährdet. «Vielmehr ist es eine Fremdgefährdung», sagt der Richter zum verurteilten Fluglotsen. 

09.01.2024, 17:12 Uhr

«Höchste Belastungssituation»

Der Argumentation der Verteidigung des Fluglotsen könne in der Frage der Verantwortung für die Flughöhe nicht gefolgt werden. «In dieser Situation kommt Ihnen als Fluglotse eine besondere Verantwortung zu», sagt Hofer über die schlechten Sichtbedingungen. Klar sei, dass der Fluglotse aufgrund der Annährerung der beiden Flugzeuge habe handeln müssen. «Und Sie haben auch gehandelt.» Zwar sei die Kollisionsgefahr zwischen den Flugzeugen abgewendet, jedoch eine neue, unmittelbare Gefahr geschaffen worden – die Kollision mit dem Berg. «Das hat sich dann leider auch verwirklicht.» Auch in dieser höchsten Belastungssituation für den Lotsen hätte es Alternativen gegeben. «Die naheliegendste wäre 'Flight Level 150' gewesen», so der Richter. 

09.01.2024, 17:07 Uhr

Flughöhe von 15'000 Fuss ist verbindlich

Gerichtspräsident Hofer spricht zur fahrlässigen Tötung, die dem Fluglotsen angelastet wird. Für den Ostabflug in Meiringen sei grundsätzlich die Flughöhe von 15'000 Fuss vorgesehen. «Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich dabei um eine Mindesthöhe, die für Piloten und Fluglotsen gültig ist», sagt Hofer. Es sei keine einfache Empfehlung, sondern aufgrund der Sicherheitsrelevanz durchaus verbindlich. 

09.01.2024, 16:55 Uhr

Warum der Fluglotse der fahrlässigen Tötung schuldig ist

«Dem Pilot blieb keine, oder bloss noch eine theoretische Ausweichmöglichkeit», sagt Hofer. Es sei erstellt, so der Richter, dass die Anweisung des Fluglotsen zum Sinkflug auf das Fluglevel 100 geführt habe, was letztlich zur Kollision mit dem Berg geführt habe. Es sei dagegen nicht erstellt, dass durch die Anweisung auch noch andere Personen gefährdet worden seien – etwa Wanderer im Bereich der Trift-Hütte. 

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