«Es hätte auch mich treffen können»
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Nach Tod von Sprayerin (†29):«Es hätte auch mich treffen können»

Alessandro (22) nach Tod von Sprayerin Rahel K. (†29)
So werden wir von der Polizei gejagt

Sprayerin Rahel K.* (†29) starb am Samstagmorgen am Bahnhof Bümpliz Nord, als sie auf der Flucht vor der Polizei von einer Mauer in die Tiefe stürzte. BLICK hat mit dem Berner Sprayer Alessandro (22) über das gefährliche Hobby gesprochen.
Publiziert: 29.03.2021 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2021 um 21:52 Uhr
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Alessandro aus dem Kanton Bern sprayt selbst schon jahrelang illegal Graffiti – und meint im Gespräch mit BLICK betroffen: «Es hätte auch mich treffen können.»
Foto: Luisa Ita
Luisa Ita und Céline Trachsel

Sie verlor ihr Leben neben den Gleisen. Rahel K.* (†29) und ihre Kollegen wurden Samstag früh von der Polizei erwischt, wie sie illegal eine Zugskomposition am Bahnhof Bümpliz Nord versprayten. Auf der Flucht stürzte die Lehrerin über ein Geländer und fiel eine Mauer hinunter. Sie verletzte sich beim Sturz so schwer, dass sie später im Spital verstarb.

Alessandro* (22) aus dem Kanton Bern sprayt selbst schon jahrelang illegal Graffiti – und sagt im Gespräch mit BLICK betroffen: «Es hätte auch mich treffen können.» Der Künstler berichtet von unzähligen Verfolgungsjagden mit der Polizei, die er schon erlebt habe. Es sei auch mehrmals zu lebensgefährlichen Situationen gekommen, da beim Eintreffen der Einsatzkräfte einfach nur noch eines gelte: abhauen!

Polizeieinsätze übertrieben aggressiv?

«Einmal bin ich sogar quer über eine Autobahn geflüchtet», so der Berner. Er macht der Polizei grosse Vorwürfe, über die Art und Weise, wie diese Einsätze jeweils verlaufen würden: «Die Polizisten kommen im Sprint, schreien extrem laut und rennen dir nach. Einer versuchte mir zum Beispiel auch mal im vollen Tempo ein Bein zu stellen, das hätte böse ausgehen können.»

Zwei Bekannte von ihm seien genau bei solchen Aktionen auch schon verletzt worden. Einer habe sich gar einen Schädelbruch zugezogen, so Alessandro. «Diese Einsätze finden halt häufig auf gefährlichem Terrain wie Bahnhöfen oder Autobahnen statt. Da stellt sich mir schon die Frage, ob man als Polizist jetzt wegen eines Sachschadens ein Menschenleben gefährden will.»

Statt jagen – abfangen

Der Sprayer ist sich sehr wohl bewusst, dass er sich mit seinem Hobby tief in der Illegalität bewegt. Dennoch: «Statt uns hinterherzujagen, würde die Polizei uns besser irgendwo abfangen.»

Patrick Jean, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern, meint zu den Vorwürfen bloss: «Ziel eines solchen Einsatzes ist, eine Personenkontrolle durchzuführen. Eine übereilte Annäherung würde diesem Ziel nicht entgegenkommen.» Man versuche immer zuerst, die Vandalen verbal aufzuhalten. Und: Das tödliche Drama von Bümpliz werde nun nochmals von der Polizei aufgearbeitet.

* Namen geändert

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