Virus sei «bereits in vier bis sechs Wochen dominant»
So will der Bund die Schweiz vor der Delta-Variante schützen

Bereits in einem Monat dürfte die Delta-Variante in der Schweiz dominant sein. Der Bund geht von einer vierten, wenn auch kleineren Welle im Herbst aus. Demnach droht 60 Prozent aller Nichtgeimpften eine Ansteckung. Daher soll mehr und schneller geimpft werden.
Publiziert: 27.06.2021 um 01:09 Uhr
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Aktualisiert: 27.06.2021 um 12:24 Uhr
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«Wir rechnen damit, dass die Delta-Variante in der Schweiz in vier bis sechs Wochen dominant sein wird», sagt Taskforce-Vizepräsident Urs Karrer.
Foto: Keystone

Die Covid-19-Fallzahlen in der Schweiz liegen auf dem tiefsten Tageswert seit letztem Sommer. Praktisch alle Massnahmen zur Bekämpfung des Virus wurden aufgehoben. Der Rückgang der Infektionen und die Durchimpfung breiter Bevölkerungskreise zeitigt Ergebnisse.

Knapp 50 Prozent der gesamten Bevölkerung – rund 4,2 Millionen Menschen – haben bis heute eine Impfdosis erhalten. Der Bund will die Zahl auf 80 Prozent oder rund 6,9 Millionen Geimpfte hochbringen. Ursprünglich war man von rund 60 Prozent der gesamten Bevölkerung ausgegangen. Denn trotz tiefer Infektionszahlen und beachtlichen Impfquoten: Die Schweiz soll sich gegen die Delta-Variante vorsehen.

«Delta wird sich auch bei uns durchsetzen», sagte der «NZZ am Sonntag» Urs Karrer, Vizepräsident der wissenschaftlichen Corona-Taskforce. «Wir rechnen damit, dass die Delta-Variante in der Schweiz in vier bis sechs Wochen dominant sein wird», so Chefarzt für Innere Medizin und Infektiologie am Kantonsspital Winterthur.

60 Prozent der Nichtgeimpften drohe Ansteckung

Zwar schützt eine vollständige Corona-Doppelimpfung auch gegen Delta gut. Aber die Variante gilt als rund 50 Prozent ansteckender als die derzeit in der Schweiz noch vorherrschende Alpha-Variante. Es gelte laut Karrer als sicher, dass die Delta-Variante des Coronavirus ab August vor allem für nicht geimpfte Personen gefährlich werde. Er geht davon aus, dass sich mangels Eindämmungsmassnahmen «wohl mehr als 60 Prozent der nicht geimpften Personen mit dem Coronavirus infiziert würden».

Um eine schwere Welle im nächsten Herbst abzuwenden, sei die Impfung von möglichst vielen Personen notwendig. Anzustreben sei eine Durchimpfungsquote von 80 Prozent. Deshalb, so Karrer, brauche es jetzt in der Bevölkerung einen erneuten «Ruck». Deshalb sollen möglichst bald zwei weitere Millionen Personen geimpft werden – wegen der Virusvariante Delta.

«Explosive Mischung»

Auch Andreas Cerny, Epidemiologe an der Universität Bern, erwartet im Gespräch mit der «SonntagsZeitung» eine vierte Welle – und verlangt schärfere Corona-Massnahmen im Herbst. Die weitreichenden Lockerungen, «die Sommerzeit mit Ferien und Veranstaltungen und die Ausbreitung der Delta-Variante» seien eine «explosive Mischung», so Cerny. Insbesondere Grossveranstaltungen werde man wieder einschränken müssen. Er rechnet damit, dass «in bestimmten Situationen eine Maskenpflicht durchaus wieder ein Thema wird», insbesondere in Schulen. Viele Kinder würden ohne Impfschutz in die Ferien gehen und unter Umständen das Virus nach Hause bringen.

«Der Anstieg der Fallzahlen und eine vierte Welle sind damit programmiert», sagt Cerny. Er hätte sich eine langsamere Öffnung gewünscht. Die Fallbeispiele der neuen Delta-Variante in Grossbritannien, Israel und Portugal müssten in der Risikobeurteilung stärker gewichtet werden: «Die Lockerungen in Israel waren zu früh und zu ausgedehnt bei einer Durchimpfung von etwa 60 Prozent. Wir sollten daraus lernen und nicht die gleichen Fehler machen.»

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Keine flächendeckenden Massnahmen mehr

Laut gut informierten Kreisen gehe auch der Bund von einer vierten Corona-Welle im Herbst aus. Diese werde aber umso kleiner, je mehr Personen bis dann geimpft sind. Sich impfen zu lassen, soll daher immer einfacher, schneller und ohne Voranmeldung möglich sein. So bieten die Kantone Aargau, Schwyz und Waadt ab nächster Woche mobile Impfstationen bei Migros- und Coop-Filialen sowie in Einkaufszentren an.

Im Kanton Luzern wird in Betrieben geimpft, der Kanton Zug öffnet seine Zentren auch für ausserkantonale Impfwillige. Damit sollen insbesondere Personen erreicht werden, die über die Corona-Impfung wenig wissen, etwa bildungsferne, einkommensschwache und ausländische Bevölkerungsgruppen.

Laut Karrer sei es nicht auszuschliessen, dass Spitäler und deren Intensivstationen im Herbst und Winter wieder übermässig belastet werden. Der Bundesrat sei aber nicht mehr gewillt, wie es weiter heisst, beim Ausbruch einer neuen Welle flächendeckende Pandemiemassnahmen zu ergreifen. Möglich seien punktuelle Eingriffe. Zudem soll das Covid-Zertifikat vermehrt zur Anwendung kommen. (kes)

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