Beim Security-Check wird es Reisenden oft abgenommen. Aber im Duty-Free-Shop kann man ein neues kaufen
Messerscharfer Schwachsinn um das Sackmesser an Flughäfen!

Grosse Verwirrung am Zürcher Flughafen. Der Duty-Free-Shop verkauft Schweizer Armeemesser. Experten warnen vor einer Sicherheitslücke.
Publiziert: 04.11.2012 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:14 Uhr
Von Walter Hauser und Britta Krauss

Kontrolle am Flughafen Zürich. Sicherheitsleute untersuchen das Handgepäck der Passagiere. Die halb volle Mineralwasserflasche darf nicht mit in den Flieger. Zu gefährlich.

Dann die Überraschung im Duty-Free-Shop: Dort liegen Swiss-Army-Messer der Edelmarke Victorinox aus. «Davon können Sie so viele kaufen, wie Sie wollen und mit an Bord nehmen», sagt die Angestellte zu einem Passagier.

Tatsächlich: Heimatwerk, Edelweissshop und Kiosk AG machen mit dem Verkauf von Messern gute Geschäfte. «Es kommt vor, dass ein einziger Passagier gleich zehn Messer kauft», sagt eine Verkäuferin: «Das ist schon ein komisches Gefühl.» Auch am Genfer Flughafen gibt es nach den Sicherheitschecks Sackmesser zu kaufen.

In den USA und in Asien undenkbar

Die Flughäfen Basel-Mulhouse und Bern-Belp lehnen das ab. «Messer sind bei uns im Handgepäck grundsätzlich nicht erlaubt», sagt Daniel Steffen, Sprecher des Berner Flughafens. Auch in den USA, Israel und den meisten Flughäfen des asiatischen Raums sind Messer an Bord undenkbar.

Max Hofmann, Generalsekretär des Schweizerischen Polizeibeamtenverbands (VSPB), kritisiert den Messerverkauf in Zürich und Genf: «Das ist unverständlich, nicht nachvollziehbar», sagt er. «Spätestens nach den Terroranschlägen von 9/11 wissen wir, wie gefährlich Messer im Flugzeug sein können.»

Auch Terrorexperte Rolf Tophoven (74) ist schockiert. «Man nimmt den Passagieren Parfum ab, lässt aber Messer zu. Das ist eine eklatante Sicherheitslücke», sagt der Leiter des Instituts für Krisenprävention in Essen (D). «So müssen Terroristen keine komplizierten Bomben bauen, um Schaden anzurichten. Es reicht schon, wenn sie jemandem ein solches Messer an die Halsschlagader setzen.»

In Zürich und Genf ist man sich keiner Schuld bewusst: Man halte sich an die geltende EU-Verordnung für Luftsicherheit, heisst es auf Anfrage. Darin steht, dass «spitze Waffen und scharfe Objekte» im Handgepäck verboten sind, nicht aber Messer und Schraubenzieher mit einer Klinge von weniger als sechs Zentimeter Länge, wie das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) bestätigt. Auch Offiziersmesser sind somit an Bord erlaubt.

Keine einheitliche Regelung

Das Problem: Trotz EU-Verordnung gibt es in Europa keine einheitliche Regelung. Jeder Flughafen entscheidet selbst, wie er den Umgang mit Stichwaffen regelt. Die Schweizer Pilotengewerkschaft Aeropers spricht von einer «Verunsicherung».

Zu Recht: In Frankfurt (D) etwa sind Messer bis sechs Zentimeter an Bord gestattet, in München (D) und Stuttgart (D) dagegen nicht.

Das verwirrt nicht nur Fluggäste: In Zürich kann es passieren, dass einem bei der Sicherheitskontrolle ein Messer weggenommen wird, das man später im Duty-Free-Shop wieder kaufen kann. «Es kommt immer darauf an, welcher Flughafenpolizist gerade Dienst hat», sagt eine Victorinox-Verkäuferin vor der Sicherheitskontrolle. Sie empfehle, Messer ins Reisegepäck zu legen. 

Experte Tophoven: «Die Verantwortlichen müssen einsehen, dass sie Terroristen eine Steilvorlage geben und diese Sicherheitslücke sofort schliessen», sagt er. «Profitdenken darf hier keine Rolle spielen. Wir gehen davon aus, dass Terroristen heute an Flughäfen Späher haben, die Schwachstellen wie diese ausspionieren.»

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