Autofahrer sollen ihren Teil zum Schutz der Erdatmosphäre beitragen, meint der Bundesrat. Ab 2030 plant Bern deshalb eine Klimasteuer auf Benzin und Diesel. Die «Lenkungsabgabe» soll motorisierte Bürger dazu bewegen, auf weniger klimaschädliche Verkehrsmittel wie Velo oder Zug umzusteigen. Die Einnahmen sollen an die Bevölkerung zurückverteilt werden.
Die Schweizer lehnen eine solche Steuer trotzdem klar ab. Nur 18 Prozent wären bereit, sie zu zahlen. Sogar wenn die Abgabe vollständig in Klimaprojekte fliessen würde, sind nur 41 Prozent dafür.
Dies zeigt eine neue repräsentative Umfrage des Forschungsbüros Infras im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (siehe Grafik). Zwar finden drei von vier Befragten, das Klimaproblem könne nur gelöst werden, wenn alle weniger konsumieren. Beim eigenen Auto aber hört der Spass auf.
Eine Klimagebühr auf Autobahnen, Tunnels oder Brücken? 57 Prozent sind dagegen. Ein Klimazuschlag auf Parkplätze?
66 Prozent wollen nichts davon wissen. Und langsamer fahren wollen Herr und Frau Schweizer auf keinen Fall. Nur 22 Prozent wären für eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit zu haben – auch wenn es der Umwelt nützt.
Mehr und mehr Städte diskutieren über eine Gebühr für die Zufahrt ins Stadtzentrum. Beim Volk würde diese Abgabe ebenfalls mit Pauken und Trompeten durchfallen. Nur 36 Prozent sind dafür.
Die Umfrage zeigt aber auch: Schweizer sind keineswegs generell gegen Klimaabgaben. Beim Fliegen sind wir bereit, mehr zu zahlen. 61 Prozent möchten, dass die Schweiz eine Klimagebühr auf Flugtickets einführt.
Deutschland, Österreich, Frankreich, Irland, Italien und England kennen die Flugticket-Abgabe bereits, entweder als Steuer oder Gebühr. Wer in England einen Flug bucht, zahlt umgerechnet 19 Franken für die Kurzstrecke, 95 bis 118 für mittlere und 135 für Langstrecken. Dies sind die höchsten Gebühren in Europa. Deutschland verlangt je nach Distanz umgerechnet 7.80 bis 44 Franken.
Die Schweizer wären also bereit, der Umwelt zuliebe mehr fürs Fliegen zu zahlen. Und was sagt der Bundesrat? Er drückt sich. Bei einer Ticketgebühr müsse «mit ökologisch unerwünschtem Umwegverkehr und damit verbundenen ökonomischen Einbussen gerechnet werden», schreibt er als Antwort auf einen Vorstoss von SP-Nationalrätin Nadine Masshardt (30). Ihr aber fehlt jedes Verständnis für die Haltung des Bundesrates: «Es ist höchste Zeit, dass wir eine Ticketgebühr einführen.»
«Höchste Zeit», findet auch WWF-Klima-Experte Patrick Hofstetter (50). Über 16 Prozent der Schweizer Klimabelastung gehen laut WWF auf das Konto des Flugverkehrs. «Es ist nur fair, dass Flugpassagiere ihren Anteil leisten.» Dass eine Mehrheit dazu bereit ist, erstaunt ihn nicht: «Viele in der Schweiz wissen, dass Fliegen viel zu billig ist.» Der WWF schlägt vor, die Gebühr bei 20 Franken für Kurzstrecken-, 50 Franken für Mittelstrecken- und 100 Franken für Langstreckenflüge festzusetzen. Für Tickets in der Business-Class würde das Doppelte fällig.
Masshardt will sich nicht auf einen Betrag festlegen. Wichtig sei, dass das Parlament endlich abstimmt. Ihr Vorstoss liegt seit bald zwei Jahren vor – er wurde noch immer nicht zur Behandlung im Parlament traktandiert.
Unterstützung erhält sie von Parlamentariern von GLP, BDP und CVP. Und von den Grünen. Seit Jahren fordern sie, dass Fliegen teurer werden muss. Fraktionschef Balthasar Glättli (43): «Wir müssen den Schwung dieser Umfrage nutzen und die Ticketgebühr möglichst rasch im Parlament behandeln.» Dass der Bundesrat keinerlei Interesse daran hat, zeigt die Antwort auf Masshardts Vorstoss: Die Gebühr habe «Steuercharakter» und brauche darum eine Verfassungsänderung. Die Nationalrätin kontert: «Der Bundesrat redet sich mit Scheinargumenten heraus.» In der Tat: Erst letzten Sonntag feierte Bundesrätin Doris Leuthard (52) die Annahme der neuen TV-Abgabe, ebenfalls eine Abgabe mit «Steuercharakter». Auf eine Verfassungsänderung verzichtete der Bundesrat.
Hofstetter vom WWF ist überzeugt: «Eine Ticketgebühr kann wie in vielen anderen europä-ischen Staaten rechtlich problemlos eingeführt werden.» Die Verwaltung meidet das Thema trotzdem und publizierte die Umfrage-Resultate auf einer selten besuchten Internetseite. Eine Pressemitteilung war Bern der 70-seitige Forschungsbericht nicht wert.