Behörden-Wahnsinn wegen Fünfjährigem
Doktorspiele rufen Kesb auf den Plan!

Im Laufental streiten sich Anwälte, Kinderschützer und die Staatsanwaltschaft. Im Zentrum: ein Fünfjähriger. Er soll bei kindlichen Doktorspielen Grenzen überschritten haben.
Publiziert: 11.06.2017 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:30 Uhr
1/2
Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde Laufental hält den Fall seit einem Jahr am Köcheln.
Foto: Philippe Rossier
Fabian Eberhard und Walter Hauser

Alles begann im Sandkasten. An einem heissen Tag im letzten Sommer prahlt M.* (5) vor anderen Kindern damit, dass er einem Mädchen zwischen die Beine gefasst habe. Doktorspiele.

Es ist der erste von mehreren Vorfällen, die im basellandschaftlichen Laufental einen Behördenapparat ins Rollen bringen, der bis heute nur Verlierer hinterlässt. Anwälte, Staatsanwaltschaft sowie die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) liegen sich in den Haaren. Im Zentrum: der kleine M., fünf Jahre alt.

Man befürchtet sofort das Schlimmste

Am 7. Juni 2016 ruft ein besorgter Vater bei der Kesb Laufental an. Er berichtet von den Sandkasten-Prahlereien des Nachbarsjungen M. und erzählt von weiteren Vorfällen: Seine Partnerin habe den Buben mit einem gleichaltrigen Jungen im Zimmer erwischt, «mit heruntergelassenen Hosen und erigiertem Penis, beim Versuch, den anderen Buben zu penetrieren». Das geht aus Aktennotizen der Kesb Laufental hervor.

Bei der Kinderschutzbehörde befürchtet man sofort das Schlimmste. Ohne mit den Eltern von M. zu reden, schaltet die für den Fall zuständige Kesb-Mitarbeiterin die Staatsanwaltschaft ein. Sie verlangt von den Fahndern, dass sie das Elternhaus von M. durchsuchen. Aufgrund der sexuellen Handlungen des Buben vermutet die Kesb-Angestellte, dass M. Opfer von Missbrauch oder Zeuge von Sexpraktiken Erwachsener sein könnte.

Blosse Vermutungen

Elternanwalt Stefan Suter wirft der Kesb Unverhältnismässigkeit vor.
Foto: Philippe Rossier
Doch die Staatsanwaltschaft winkt ab. Am 20. Juli schreibt sie in einem Brief an die Kesb Lau­fental: «Ein Tatverdacht im strafprozessualen Sinne besteht derzeit nicht gegen die Eltern, ein solcher bedarf mehr als blosser Vermutungen.»

Für die Kinderschutzbehörde ist diese Absage völlig unverständlich. Einen Tag später notiert sich die Fallverantwortliche: «Die Chance, einen Pornoring oder Entsprechendes aufzudecken, hat die Staatsanwaltschaft somit vertan.»

Die Kesb denkt nicht daran, den Fall zu den Akten zu legen. Sie bleibt bei ihrer Missbrauchsthese. Die Behörde kontaktiert Kinderärzte und Psychiater. Diese raten zu einem Gutachten, um das «auffällig sexualisierte Verhalten» des Buben abzuklären. Sogar die Kindergärtnerinnen von M. kontaktiert die Kesb. Am 4. Januar 2017 antworten diese: «Uns ist die Anschuldigung der Kindeswohlgefährdung unverständlich.» M. zeige einen für sein Alter «absolut normalen» Entwicklungsstand.

Trotz allem: Am 22. Mai ordnet die Kesb ein psychiatrisches Gutachten zum Verhalten des Buben an.

«Die Kesb behandelt uns wie Kriminelle»

Die Eltern von M. sind verzweifelt. Gegenüber SonntagsBlick sagt der Vater: «Die Kesb behandelt uns, als wären wir Kriminelle. Wir wissen nicht, wie wir aus dieser Mühle wieder herauskommen.»

Zusammen mit ihrem Anwalt Stefan Suter wollen sie sich jetzt wehren. «Ein solches Gutachten kommt nicht in Frage», sagt Suter, «wenn nötig gehen wir dagegen bis vor Bundesgericht vor.» Für den Anwalt ist klar: «Die Kesb hat jedes Mass verloren. Das waren doch alles nur kindliche Doktorspiele!»

Harmlose Spielereien oder sexuelle Übergriffe, die auf Missbrauch hindeuten? Eine heikle Frage. Experten sind uneins.

Experten sind sich uneins

Vermisst psychologisches Geschick: Psychiater Mario Gmür.
Foto: Thomas Lüthi
Regula Schwager, Psychotherapeutin bei der Opferstelle für sexuell ausgebeutete Kinder, Castagna, sagt: «Die Handlungen dieses Buben gehen weit über Doktorspiele hinaus – auch dann, wenn alle Kinder freiwillig mitgemacht haben.» Dass die Kesb den Fall ernst nimmt, sei «fachlich korrekt».

Der renommierte Zürcher Psychiater Mario Gmür hingegen spricht von einem «administrativen Overkill». Er wirft der Kesb «mangelnde Sensibilität» vor. «Dem Fehlverhalten eines fünfjährigen Kindes sollte eher mit psychologischem Geschick begegnet werden als mit administrativen Kanonen.»

Die Kesb Laufental darf sich aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen nicht zum Fall äussern. Präsidentin Ursula Roth versichert aber: «Der Schutz des Kindes steht bei uns stets im Zentrum.»

Regeln für Doktorspiele

Doktorspiele verunsichern Eltern. Doch dass Kinder im Alter von etwa fünf Jahren ihre Geschlechtsorgane erforschen und vergleichen, ist völlig normal. Trotzdem kann es auch in diesem Alter schon zu Verletzungen und Grenzüberschreitungen kommen. Eine Broschüre der Stiftung Kinderschutz Schweiz definiert die Rahmenbedingungen:

  • Kein Kind tut einem anderen weh.
  • Die Kinder sind gleich alt.
  • Alles passiert freiwillig.
  • Niemand steckt einem anderen Kind etwas in Körperöffnungen.
  • Keine Demütigungen und sexistischen Schimpfwörter.
Die Broschüre der Stiftung Kinderschutz Schweiz definiert die Rahmenbedingungen.
Kinderschutz Schweiz

Doktorspiele verunsichern Eltern. Doch dass Kinder im Alter von etwa fünf Jahren ihre Geschlechtsorgane erforschen und vergleichen, ist völlig normal. Trotzdem kann es auch in diesem Alter schon zu Verletzungen und Grenzüberschreitungen kommen. Eine Broschüre der Stiftung Kinderschutz Schweiz definiert die Rahmenbedingungen:

  • Kein Kind tut einem anderen weh.
  • Die Kinder sind gleich alt.
  • Alles passiert freiwillig.
  • Niemand steckt einem anderen Kind etwas in Körperöffnungen.
  • Keine Demütigungen und sexistischen Schimpfwörter.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?