Die Übergriffe auf Polizisten und Angestellte öffentlicher Betriebe mehren sich. Hier nur ein minimaler Überblick aus jüngster Zeit:
• Am vergangenen Wochenende wurden in Montreux VD vier Polizisten verletzt, als sie bei einer Massenschlägerei von 50 Personen einschreiten wollten.
• Ebenfalls am Wochenende gingen mehrere Personen auf Kontrolleure der Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) los, als diese eine Kontrolle durchführten. Die VBZ-Mitarbeiter wurden mit Flaschen beworfen sowie mit Fäusten und Füssen traktiert. Alle vier mussten im Spital behandelt werden.
• Am 25. Juni war ein Zürcher Stadtpolizist von einem Brasilianer spitalreif geschlagen worden, nachdem er einen Streit schlichten wollte.
• Als zwei Polizisten am 3. Juli in Zürich einen verdächtigen Mann kontrollieren wollten, solidarisierten sich Aussenstehende mit dem Mann und gingen auf die Polizei los. Ein Polizist musste hospitalisiert werden, ein Deutscher und ein Schweizer wurden festgenommen.
Keine Mindeststrafe in der Schweiz
Max Hofmann, Generalsekretär des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter, schüttelt den Kopf. «Es gibt immer mehr Übergriffe auf Polizisten, und sie werden immer brutaler. Man nimmt ohne jegliche Angst in Kauf, dass jemand schwerverletzt am Boden liegen bleibt oder sogar noch schlimmer.»
Im Jahr 2000 wurden in der Schweiz noch 774 Übergriffe auf Polizisten verzeichnet, 2016 waren es 2764. Das entspricht fast einer Vervierfachung!
Wer in der Schweiz einen Polizisten angreift, kommt oft ungeschoren davon. Das Gesetz sieht für Übergriffe auf Polizisten zwar eine Busse oder Haft bis drei Jahren vor. Hofmann: «Leider fehlt hier eine klare Mindeststrafe, und es wird meistens nur das Minimum verhängt.»
Massiv härtere Strafen in andern Ländern
Andere Länder kennen viel drakonischere Strafmasse gegen Polizei-Schläger. In den USA blühen einem Täter bis 15 Jahre Gefängnis, wenn der Polizist auch nur leicht verletzt wird, und bis 25 Jahre, wenn er schwere Verletzungen erleidet.
Auch unsere südlichen Nachbarn kennen andere Massstäbe. Wer in Italien einen Polizisten angreift, muss mindestens drei Jahre ins Gefängnis. Höchststrafe sind zehn Jahre. Hofmann: «Ich rate keinem, sich in Italien mit einem Polizisten anzulegen!»
Mindestens drei Tage in Haft
Nun gibt es auch in der Schweiz Bestrebungen, das Gesetz anzupassen. Eine Forderung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe war zwar im Frühling im Nationalrat abgelehnt worden.
Im Nationalrat liegen aber nebst zwei Standesinitiativen zwei parlamentarische Initiativen vor, die bei Gewalt an Polizisten und Angestellten von Transportunternehmen eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Tagen fordern.
Das wäre für Hofmann okay, da die Vorstösse durch die parlamentarische Gruppe für Polizei- und Sicherheitsfragen abgesegnet wurden. Hofmann: «Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir dürfen die Schweiz nicht mit Italien oder den USA vergleichen. Wichtig für uns ist, dass es eine Minimalstrafe gibt, die weh tut.»
Noch sind die Vorstösse im Parlament nicht behandelt worden. Hofmann ist guten Mutes, dass «die Politik das Problem erkannt» hat und der Verschärfung zustimmen wird.
Gegner statt Freund und Helfer
Bei der Stadtpolizei Zürich beobachtet man die steigende Gewalt gegenüber Polizisten «mit Beunruhigung». Was sind überhaupt die Gründe für diese Entwicklung? Mediensprecher Marco Bisa: «Es sind immer öfters Alkohol und Drogen im Spiel. Zudem wird die Polizei vermehrt als Gegner statt als Retter betrachtet. Der Respekt sinkt.»
Bei den Tätern, die Polizisten und anderes öffentliches Personal angreifen, handelt es sich vorwiegend um Männer. 2016 gab es im Kanton Zürich laut der polizeilichen Kriminalstatistik insgesamt 419 Beschuldigte. 60 Prozent davon hatten einen Schweizer Pass, 40 Prozent waren Ausländer.
Gewalt gegen Polizei wird untersucht
Beim Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich werden unter dem Namen PIUS (Polizeiarbeit im urbanen Spannungsfeld) vier Fokus-Projekte bearbeitet. Eines davon ist die Gewalt gegen Polizeiangehörige. Bisa: «Ziel muss es sein, dass Übergriffe gegen die Polizei durch geschicktes Intervenieren verhindert werden können, dass die Polizei gut ausgerüstet und geschützt ist und dass die Strafverfolgung die Arbeit der Polizei stützt und konsequent gegen Gewalttäter vorgeht.»