Die Via Piccolo Mondo führt in die idyllische Siedlung gleich oberhalb des Bahnhofs von Ranzo TI. Am Hang des Ortsteils der Grossgemeinde Gambarogno reihen sich die Ferienhäuser, eines neben dem anderen. Gleich das erste an der kurvenreichen Bergstrasse gehört der Zürcher Familie Hauser. Ihre «kleine Welt» jedoch ist erschüttert. Den Panoramablick über den Lago Maggiore kann die Erbengemeinschaft nicht mehr so recht geniessen.
Vor zehn Jahren liess der Kanton ihr über 2300 Quadratmeter grosses Gartengrundstück entwerten. Die Besitzer wurden nicht darüber informiert, dass aus ihrem Baugrund nun völlig wertloses Agrarland wurde. Und eine Entschädigung gab es auch nicht. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit.
Der Bau zwei weiterer Häuser ist nicht mehr möglich
«Unsere Eltern haben das Haus in den 60er-Jahren gekauft. Wir alle, auch unsere Kinder und Enkel, lieben die Casa La Vignetta», sagt Walter Hauser (67). Das Haus sei zu klein für die über zehn Personen geworden. «Daher wollten wir auf dem Gartengrund noch zwei weitere Häuser bauen», so der Zürcher Pensionär. Kein Problem, eigentlich. Denn das Grundstück ist Bauland. Seit eh und je. Das zumindest glaubten die Geschwister Hauser. Bis 2014 ein Steuerbescheid ins Haus flatterte.
«Darin hiess es, wir bräuchten nun weniger für unser Grundstück zu zahlen, da es ja Agrarland sei», erzählt Eva Hauser (60). Die Familie fiel aus allen Wolken. Denn: «Wir wussten nichts von einer Umzonung», sagt Walter Hauser. Es habe sich herausgestellt: «2011 wurde unser Bauland vom Staatsrat als praktisch einzige Parzelle an der Strasse in die Landwirtschaftszone umgezont.»
Wertverlust des Grundstücks ist massiv
Sämtliche Träume platzen. Es darf nicht mehr gebaut werden. Der Wertverlust des Grundstücks mit Panorama-Seeblick ist massiv. Was besonders wurmt: Als 2007 ein neuer Zonenplan für die Gemeinde anstand, erkundigte sich Walters Bruder Philipp Hauser (65) beim Municipio, ob auch ihr Grundstück von einer Umzonung betroffen sein könnte. Es wurde ihm versichert, dass keine Änderung geplant sei.
Die Familie holt sich juristischen Rat. Das Gutachten eines unabhängigen Professors für Raumplanungsrecht zeigt, dass die Umzonung aufgrund eines Planzeichnungsfehlers zustande kam, dass hier geltendes Raumplanungsrecht verletzt und damit «in eklatanter Weise gegen das Willkürverbot in der Bundesverfassung» verstossen wurde.
«Wir sind bis vors Bundesgericht gegangen. Überall sind wir abgeblitzt», sagt Walter Hauser. «Dies hauptsächlich, weil wir die damalige Einspruchsfrist nicht eingehalten haben. Wie auch? Wir wussten ja gar nichts von der Entwertung unseres Baulandes.» Im Bundesgerichtsentscheid heisst es weiter, die Anwendung des kantonalen Rechts sei nicht willkürlich gewesen und eine persönliche Mitteilung an die Betroffenen nicht erforderlich. Die Pläne seien im Amtsblatt publiziert worden, Hauseigentümer müssten sich regelmässig selber um die juristische Lage ihres Grundstücks kümmern.
«Wir haben jahrzehntelang Steuern auf Bauland gezahlt»
Die Erbengemeinschaft fordert eine Entschädigung in Höhe von 1,13 Millionen Franken von der Gemeinde. Zudem hat sie jahrzehntelang auf Bauland Steuern gezahlt. Gambarogno will aber für nichts aufkommen. In ihrer Begründung Anfang November 2021 erklärt die Gemeinde, dass es sich beim Eintrag in den neuen Zonenplan nicht um eine Umzonung, sondern um eine Nichteinzonung gehandelt habe. Ausserdem sei den Eigentümern kein grosser Schaden entstanden, denn es habe noch kein Antrag auf einen weiteren Häuserbau vorgelegen. «Die Gerichte werden entscheiden, ob die Gemeinde eine Entschädigung zu zahlen hat oder nicht. Wir werden uns nach deren Entscheiden richten», sagt Gemeindepräsident Gianluigi Della Santa auf Anfrage von Blick.
Rund 30'000 Franken hat die Erbengemeinschaft in den Rechtsstreit gesteckt. Für ihre Entschädigung wollen sie noch weiterkämpfen. Viel Hoffnung haben die Geschwister Hauser aber nicht mehr. «Wir und unsere Anwälte haben den Eindruck, dass die Gerichte nach wirtschaftlichen Gründen urteilen und die Behörden schützen», sagt Walter Hauser bitter und fragt: «Gibt es in Raumplanungsfragen im Tessin überhaupt noch Rechtssicherheit?»