Tierschützerin Tomi Tomek wohnt im Natuschutzgebiet Creux du Van auf einem Grundstück, das von einer grossen Wiese und einem Wald umgeben ist. Von ihrem Haus aus beobachtet sie täglich die Rehe mit ihren Kitzen.
Dort ist ihr letzten Samstag eine Rehmutter aufgefallen, die auf der frisch gemähten Wiese immer wieder zur selben Stelle ging. Tomi Tomek schaute nach und fand ein von der Mähmaschine verstümmeltes Rehkitz. Für sie ist es unverständlich, dass es dazu kommen konnte, und sie drückte ihren Unmut Anfang Woche in der Westschweizer Zeitung «Le Matin» aus.
Zu BLICK sagt sie: «Das kleine Reh konnte schon springen und hätte weglaufen können, wenn man vor dem Mähen in die Hände geklatscht und Krach gemacht hätte.»
Rehe vertreibt man nicht nur mit einem Klatschen
Am Steuer des Mähtraktors sass der volljährige Sohn von Felix Derendinger. Der Vater verteidigt ihn gegenüber BLICK: «Wenn es reichen würde, einfach in die Hände zu klatschen, um die Rehe zu verjagen, würden sie auch nicht ins Mähwerk geraten. Das ist nämlich noch viel lauter.»
Rehkitze ducken sich bei Gefahr und regen sich nicht, damit sie ihre Fressfeinde nicht finden. Das macht wohl Sinn bei Füchsen, doch wenn es um Mähmaschinen geht, wird ihnen ihr Instinkt zum Verhängnis. Das musste auch der Sohn von Bauer Derendinger erfahren. «Er hat das Rehkitz entdeckt und es zweimal verjagt. Offensichtlich ist es wieder zurückgekommen», sagt der Vater.
«Die Fahne vor unserem Haus hängt schon seit drei Tagen auf Halbmast»
Felix Derendinger bedauert den Vorfall: «Die Fahne vor unserem Haus hängt schon seit drei Tagen auf halbmast wegen des Vorfalls. Wir leben auf einem Bauernhof, haben Tiere. Natürlich tut mir das auch weh, wenn ich ein Reh erwische, und es ist mir bewusst, dass so was nicht passieren sollte. Ich hoffe, dass das den Leuten bewusst ist, die uns jetzt an den Pranger stellen.»
Kein Landwirt, der beim Mähen mit der Maschine schon einmal ein Rehkitz erwischte, wolle so etwas ein zweites Mal erleben.
Derendinger sagt, dass er sonst jedes Jahr den Wildhüter hat kommen lassen, der dann die Wiese vor dem Mähen kontrollierte. Dieses Jahr sei aber alles sehr schnell gegangen und es wurde ohne den Wildhüter gemäht: «Es ist nicht das erste Mal, dass wir die Wiese mähen. Wir wissen was wir tun. Es kann auch vorkommen, dass der Wildhüter keine Zeit hat, wenn alle Bauern wegen des guten Wetters zur gleichen Zeit ihre Weiden mähen.»
Bisher war nie ein Reh zwischen die Maschine geraten
So war es auch das erste Mal, dass den Derendingers ein Rehkitz zwischen die Mähmaschine gekommen ist. In früheren Jahren hat man die Rehkitze immer vorher gesehen oder konnte sie verjagen. Tomi Tomek erzählt, dass der Bauer sogar schon einmal um ein Rehkitz herum gemäht hätte, damit die Mutter es wiederfände.
Um zu verhindern, dass in Noiraigue wieder ein Rehkitz in einen Mähdrescher gerät, will Tomi Tomek eine Gruppe von ehrenamtlichen Helfern gründen, bei der sich Bauern aus der Gegend melden können, bevor sie aufs Feld gehen.