«Manche meiner Schuhe haben 9-Zentimeter-Absätze!»
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Aargauer in Frauenkleidern:Fasnachts-Gag machte Bauer Beat zu Beatrice

Bauer Beat Zimmermann (76) aus Eggenwil AG trägt seit 20 Jahren Frauenkleider
«Manche meiner Schuhe haben 9-Zentimeter-Absätze!»

Er ist in der Region ein Original, für sich selbst ganz normal. Beat Zimmermann (76) aus Eggenwil AG trägt am Wochenende gerne Frauenkleider. Was seine verstorbene Frau damit zu tun hat? BLICK hat den Bauern auf seinem Hof besucht.
Publiziert: 22.02.2021 um 07:14 Uhr
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Aktualisiert: 22.02.2021 um 09:55 Uhr
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Beat Zimmermann (76) aus Eggenwil AG trägt seit 20 Jahren am Wochenende gerne Frauenkleider – und sieht keinen Grund, sich zu verstecken.
Foto: Siggi Bucher
Michael Sahli

Bauer Beat Zimmermann (76) aus Eggenwil AG führt zwei Leben. Einerseits ist da der Landwirt, der stundenlang über seine Obstbäume und seine Hasen reden könnte. Und dem man seine andere Seite nicht zutrauen würde: Am Wochenende verwandelt sich der 76-Jährige nämlich in «Beatrice», trägt Frauenkleider und geht noch immer gerne in den Ausgang. BLICK hat das Dorforiginal auf dem Hof besucht.

Der pensionierte Landwirt hat sich für den Termin extra herausgeputzt, geniesst die warmen Temperaturen in einem leichten Frühlingskleid. Der Besuch ist eine willkommene Abwechslung: «Wegen Corona kann ich momentan nicht in die Beiz. Und für mich allein trage ich keine Frauenkleider», erklärt er. Als BLICK am Vortag an seine Tür klopfte – Zimmermann hat kein Telefon –, sagte er sofort zu.

Die Blicke der Nachbarn stören ihn nicht

Begonnen hat der «Spleen», wie er selber sagt, schon vor zwei Jahrzehnten. «Zunächst trug ich die Kleider nur an der Fasnacht.» Irgendwann fand dann auch Ehefrau Theres Gefallen an «Beatrice». Als eine Art «romantisches Spiel», so Zimmermann. Damals waren Männer in Frauenkleidern noch ein grösseres Tabu als heute, erinnert er sich. «Heute kann ich in Frauenkleidern eigentlich gehen, wohin ich will.»

Schliesslich stapelten sich im alten Bauernhaus Röcke, Blusen und hochhackige Schuhe. «Die Kleider meiner Frau habe ich nie getragen. Ich bestellte das meiste aus dem Katalog.» Auch Schuhe mit hohen Absätzen haben es Beat Zimmermann angetan: «Manche meiner Schuhe haben 9-Zentimeter-Absätze!»

Als Theres vor acht Jahren starb, machte der Witwer alleine weiter, wie er bei einem Spaziergang durch die Nachbarschaft erklärt. Die Blicke der Nachbarn stören ihn nicht. «Bea, gehst du wieder in den Ausgang?», ruft einer im Vorbeifahren. Zimmermann grüsst und lacht, er hat in den letzten zwei Jahrzehnten schon längst jeden möglichen Spruch gehört.

Wer aus der Familie das exotische Hobby nicht akzeptieren konnte, hat sich schon vor langer Zeit von ihm distanziert. Heute erschüttert Zimmermann nichts mehr so schnell. «Es stört mich auch nicht, wenn sie mich Beatrice nennen, ich mag es eigentlich», erklärt er. Der Landwirt ist mittlerweile fast eine Kultfigur, stand schon auf der Bühne und wurde im «Wohler Anzeiger» prominent porträtiert.

«An Männern bin ich nicht interessiert»

«Crossdresser» oder andere moderne Bezeichnungen für Männer mit Flair für Frauenkleider kennt der 76-Jährige gar nicht. Zimmermann hat keine Bezeichnung für das, was er ist. Er mache einfach, was sich richtig anfühle, und möge sich nicht verstecken. «Also an Männern bin ich nicht interessiert», stellt er noch klar. «Ich war glücklich verheiratet und bin Vater von fünf Kindern.» Auch heute gibt es eine Frau, mit der Zimmermann «ab und zu spazieren geht» und die ihn so akzeptiert, wie er ist. «Sie ist ein bisschen älter als ich und wir verstehen uns gut», sagt der Landwirt mit breitem Lächeln.

Beat Zimmermann balanciert mit seinen Stöckelschuhen über ein altes Viehgitter, zeigt stolz seinen Hasenstall und den Fuhrpark, der heute vom Sohn genutzt wird. Der pensionierte Landwirt versucht seine Kettensäge anzuwerfen, zieht immer wieder am Anwerfseil. Vergeblich. Entweder ist die Säge eingerostet – oder der Bauer. Zimmermann wird nachdenklich. Wie lange er seinem «Spleen» noch nachgehen kann, weiss er nicht. «Manchmal glaube ich, ich bin zu alt für Frauenkleider», sagt er. Noch ist es aber nicht so weit. Und wenn es Corona zulässt, wird man «Beatrice» definitiv bald wieder im Ausgang antreffen.

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