Emran C.* (20) soll an einem Abend im Oktober 2021 keine Grenzen gekannt haben. Im Balz Club in Basel, wo zu Halloween eine Studentenparty lief, baggerte er ziemlich offensiv mehrere Frauen an.
Eine junge Frau, mit der er länger tanzte und rumgemacht hat, soll der Afghane in einer nahen Unterführung am Lohweg in Basel, wo sie zusammen 12 Minuten frische Luft geschnappt haben, vergewaltigt haben. Die Privatklägerin erstatte noch in derselben Nacht Anzeige bei der Polizei.
Deshalb musste sich Emran C. seit Dienstag vor Gericht verantworten. Er sass seit seiner Verhaftung drei Tage nach der fraglichen Partynacht in Untersuchungshaft. Die drei Richter fällten am Freitagmorgen ihr Urteil.
Freispruch erfolgte nicht aufgrund des Verhalten des Opfers
Vom Vorwurf der Vergewaltigung wird Emran C. vollumfänglich freigesprochen. Er wird nur der sexuellen Belästigung einer anderen Frau für schuldig erklärt und erhält dafür eine Busse von 300 Franken.
Der 20-Jährige muss laut Urteil unverzüglich aus dem vorzeitigen Strafvollzug entlassen werden. Für die Haft seit letzten Oktober erhält er eine Entschädigung von 36'400 Franken.
«Der Freispruch hat in keinster Weise damit zu tun, wie sich das Opfer im Club verhalten hat», stellt die Richterin klar. Sie betont: «Alles, was eine Frau freiwillig macht, vermag nichts zu rechtfertigen, was danach gegen ihren Willen geschieht.» Das Urteil sei allein aufgrund der Würdigung der Beweise erfolgt.
Das Opfer knutschte im Club mit Emran C. und einem anderen Mann herum und hatte am selben Abend intimen Kontakt zu beiden. Die junge Frau war erheblich alkoholisiert und hatte einige Erinnerungslücken, was sich auch in ihrem Aussageverhalten bemerkbar machte.
Freispruch «in dubio pro reo»
«Die Beweise lassen den Schluss nicht zu, dass das, was in der Unterführung passiert war, nicht einvernehmlich war», sagt die Richterin in der Urteilsbegründung. Es gab einige widersprüchliche Schilderungen zur Entkleidung des Opfers, zur genauen Position, in der sie beim mutmasslichen Akt standen und zu den Verletzungen, die die junge Frau erlitten hat oder nicht.
«Aufgrund der Ungereimtheiten und Zweifel kommt es zu einem Freispruch im Zweifel für den Angeklagten.» Der in der Anklageschrift formulierte Sachverhalt habe sich nicht erhärten lassen, auch nicht mit dem rechtsmedizinischen Gutachten. Dieses konnte nicht belegen, ob es überhaupt zum Geschlechtsverkehr gekommen war, zudem fand es ausser einer leichten äusseren Kratzspur am Genital der Frau keine weitere Verletzung, weder blaue Flecken vom Griff von C.'s Händen an ihren Schultern noch Schürfungen im Gesicht der Frau vom Drücken gegen die Wand.
Frau war nach Rückkehr in den Club verstört
Die Richterin stellt aber auch klar: «Es ist aber festzuhalten, dass die Privatklägerin verstört wirkte bei der Rückkehr in den Club, wobei diesbezüglich nicht gesagt werden kann, was es genau war, das sie verstörte.» Die junge Frau sei nicht unglaubwürdig in Bezug auf ihre Gefühle, «aber ihre Aussagen zu den Abläufen waren nicht verwertbar», so die Richterin.
Dass in der Unterführung irgendwas gelaufen ist, sei klar. Auf der Innenseite des Bodys der Frau wurden auch Spermaspuren von Emran C. gefunden. Aber was genau in diesen 12 Minuten passiert war und ob die Handlungen gegen den Willen der Frau geschahen, hierfür fehlten die objektiven Beweismittel, so das Gericht.
Schwester sagt: «Bester Tag meines Lebens»
Der Angeklagte wurde ohne Handschellen und Fussfesseln von zwei Polizisten aus dem Saal gebracht und in einen Transporter verladen. Er darf nun im Untersuchungsgefängnis seine Sachen holen und wird im Verlaufe des Tages auf freien Fuss gesetzt.
Seine Schwester sagt zu Blick, dass sie ihn nachher abholen wolle. «Es ist der beste Tag meines Lebens. Ich bin einfach nur froh. Ein halbes Jahr konnte ich meinen Bruder nicht mehr umarmen.» Es sei eine schwere Zeit für die ganze Familie gewesen. «Heute werden wir alle zusammenkommen und gemeinsam essen.»
Das mutmassliche Opfer war nicht an der Urteilsverkündung.
* Name geändert.