Shemsi Beqiri ist ausser sich. Heute schaltete der Kickboxer in der «Basler Zeitung» ein halbseitiges Inserat, Kostenpunkt rund 10'000 Franken. Titel: «Offener Brief an Staatsanwalt Stefan Fraefel».
Darin fährt Beqiri dem Baselbieter Staatsanwalt brutal an den Karren. «Für wen stehen Sie eigentlich ein? Die Täter oder die Opfer? Recht oder Unrecht?», steht da zum Beispiel. Oder: «Ich hege den Verdacht, dass Ihre Abteilung mit den laufenden Ermittlungen überfordert ist.»
Es geht um den Fall vom 24. Februar 2014. Damals stürmte Paulo Balicha, Konkurrent und Ex-Trainer von Beqiri, in dessen Kickbox-Studio in Reinach BL. Rund 20 maskierte Begleiter hielten die anwesenden Kinder und Jugendlichen mit Baselballschlägern und Schlagstöcken in Schach, während Balicha auf Beqiri losging. Als Beqiri die Oberhand gewann, schlugen ihn Balichas Begleiter bewusstlos.
Die Polizei verhaftete darauf Haupttäter Balicha und steckte ihn in U-Haft, kurz darauf kam er aber wieder auf freien Fuss. Seither laufen die Ermittlungen im Fall «Dojo». Zunächst versprach die Staatsanwaltschaft den Fall Ende 2016 vor Gericht zu bringen. Doch das Verfahren verzögert sich, obwohl die Schlägerei sogar auf einem Video zu sehen ist.
Ermittlungen gegen Opfer Beqiri
Die Staatsanwaltschaft verzettelt sich, lautet der Vorwurf von Beqiri. So wurde zu Beginn sogar gegen ihn ermittelt. «Sie, Herr Staatsanwalt, haben den Demütigungen die Krone aufgesetzt, indem Sie während Monaten auch gegen mich wegen versuchter Tötung ermittelt haben – weil ich mich gewehrt habe.»
Dann strengte der Staatsanwalt ein Verfahren gegen Beqiris Anwalt Jascha Schneider an, weil er gegen das Aktenherausgabeverbot verstossen haben soll. Das Kantonsgericht schmetterte die Anklage aber ab.
Jetzt geht Staatsanwalt Fraefel wieder auf Beqiri los. Nach einem Artikel in der «Basler Zeitung» von Ende 2016 wirft er ihm vor, Akten an den Journalisten weitergegeben haben. Dazu bestehe die «natürliche Vermutung».
«Als ich den Brief erhalten habe, hat es mir den Deckel gelupft. Ich musste die Öffentlichkeit über diese Sache informieren», sagt Beqiri zu BLICK. Die Staatsanwaltschaft verliere sich in Nebenschauplätzen, statt sich endlich auf die Ermittlungen gegen Balicha zu konzentrieren.
Balicha macht sich über Behörden lustig
Dieser lache sich ins Fäustchen und mache sich sogar über die Behörden lustig. So postete Balicha kurz nach der U-Haft ein Bild von sich mit ausgestreckten Mittelfingern. Dann schrieb er: «Ich bereue nichts in meinem Leben, denn ich hatte auch die Eier für die Konsequenzen.» Konsequenzen, die er und seine Schlägerkollegen bislang aber nicht fürchten mussten.
Wieso es so lange dauert, bis Balicha vor Gericht kommt, erklärte die Staatsanwaltschaft im April 2016 vor den Medien. «Wir rechnen damit, dass bis Mitte 2017 Anklage erhoben wird, sofern keine weiteren Verzögerungen auftreten», hiess es damals. Zu weiteren Verzögerungen könne es kommen, wenn «zum Beispiel einzelne Beschuldigte erneut delinquieren». Was tatsächlich der Fall war. «Bei einzelnen Beschuldigten sind in der Zwischenzeit weitere Delikte hinzugekommen, sodass es zu Verzögerungen gekommen ist», sagte die Stawa zur «Basler Zeitung».
Neue Delikte verzögern Ermittlungen
Für Beqiri und seinen Anwalt ist das nur noch absurd. «Als Beschuldigter muss man nur so lange delinquieren, bis der Fall verjährt ist», sagt Jascha Schneider zu BLICK.
Nach dem offenen Brief hoffen Schneider und Beqiri, dass endlich Bewegung in den Fall kommt. Auf eine Aufsichtbeschwerde verzichten sie, weil dies das Verfahren weiter verzögern würde.
Die angegriffene Staatsanwaltschaft nahm heute Mittag Stellung zum Angriff von Beqiri. In einer Medienmitteilung wies sie erneut auf die Komplexität des Falles hin. «Involviert sind insgesamt rund 70 Personen. Dazu gehören auch 23 beschuldigte Personen, denen die Beteiligung am Vorkommnis und ihre Tatbeteiligung nachgewiesen werden muss. Um diese Beweise zu erbringen, wurden über 160 Einvernahmen geführt», heiss es in dem Schreiben. Zudem liefen 50 weitere Strafverfahren gegen einzelne Beschuldigte. Dies alles sei sehr aufwändig.
«Staatsanwalt hegt keine persönlichen Vorbehalte»
Vom Vorschlag, dass sich die Staatsanwaltschaft nur auf den Haupttäter konzentrieren soll, wie das Juristen laut der «Basler Zeitung» forderten, hält die Staatsanwaltschaft nichts. Es gelte der Grundsatz der Verfahrenseinheit.
Zudem wehrt sich die Staatsanwaltschaft gegen den Vorwurf Beqiris, dass Staatsanwalt Fraefel persönlich etwas gegen ihn hat. Sie schreibt: «Die im offenen Brief von Herrn Beqiri geäusserte Vermutung, wonach der fallführende Staatsanwalt ihm und seinem Rechtsvertreter gegenüber persönliche Vorbehalte hege, trifft nicht zu.»
Anwalt schaltet Anwalt ein
Beqiris Anwalt Jascha Schneider ist mit der Erklärung nicht zufrieden: «Mein Anwalt prüft rechtliche Schritte gegen den Staatsanwalt, weil er mich zu unrecht verdächtigt», sagt er zu BLICK.
Ein nahes Ende des Falls «Dojo» ist also nicht in Sicht.