Und nun auch noch das plötzliche Ende der Basler «Tageswoche»: Nach sieben Jahren ging am Donnerstag die letzte Ausgabe in den Druck. In seinen besten Zeiten verjubelte das Medienprojekt mehrere Millionen Franken pro Jahr. In den schlechtesten liess der Chef die Hälfte der Hefte gratis an Flughäfen verteilen – ein Trick zur Steigerung der Auflage. Dabei ist das Ende der Zeitung nur der jüngste von mehreren happigen Tiefschlägen, die Basel in diesem Jahr einstecken musste.
Zur Erinnerung: Der Pharmakonzern Novartis schmiert den Anwalt von Donald Trump mit einer Million und gibt später bekannt, er werde schweizweit mehr als 2150 Stellen streichen – die Hälfte davon am Standort Basel. Das Fasnachts-Comité, als Stadtheiligtum eigentlich unantastbar, findet sich wegen zwei Guggenmusiken in einer hässlichen Rassismusdebatte wieder.
«Basel ist zu satt»
Baselworld, die weltweit wichtigste Uhren- und Schmuckmesse, liegt nach dem Absprung der Swatch-Gruppe in den letzten Zügen. Und der FC Basel, acht Jahre lang ungeschlagener König der Super League, dümpelt jetzt entthront auf Platz zwei der Rangliste.
Und was machen nun die Basler? Ziehen sie mit Demoschildern in Richtung Novartis? Oder verbrennen sie ihre blauroten Fan-Trikots? Fehlanzeige. Sie schlurfen weiter unbeeindruckt jeden Tag von «Glaibasel» nach «Grossbasel». Was für Aussenstehende seltsam wirkt, macht für Renato Beck als Einheimischen absolut Sinn. Bevor der Co-Chef der «Tageswoche» die Tür hinter sich zuzieht, spricht er Klartext über seine Zeitung, über seine Stadt: «Uns ging es einfach zu gut. Wir haben uns zu lange nicht um die Bedürfnisse der Leserschaft gekümmert, sondern nur um uns selbst.»
Die Parallelen zwischen dem gescheiterten Medienprojekt und der Stadt sind offenkundig. In Basel scheint der Geldstrom nie zu versiegen. Das ist nicht nur gut, findet Beck. Es gebe keine Verteilkämpfe wie andernorts: «Basel ist zu satt.»
«Basel neigt dazu, sich nur mit sich zu beschäftigen»
Übersatt. Und das vor allem dank der Pharmaindustrie. Sie steuert ein Drittel der Wirtschaftsleistung bei. Gehts ihr gut, gehts der Stadt gut. Aber auch den Politikern. Und das ist der Punkt: Kaum ein anderer Ort in der Schweiz schafft es, dass sich eine rot-grüne Regierung so für die Wirtschaft ins Zeug legt – zum Beispiel durch Steuervorteile. Und so bleibt es selbstverständlich auch dann still, wenn Novartis trotz Milliardengewinn einen brutalen Stellenabbau verkündet.
Nicht einmal das Volk nimmt Anstoss. Alle sind zufrieden. Selbstzufrieden, findet Beck: «Basel neigt dazu, sich nur mit sich zu beschäftigen.» Was in der restlichen Schweiz passiere, interessiere kaum. Grund dafür ist sicher auch ein Minderwertigkeitskomplex. Oder wie es die verhasste (weil rechtskonservative) «Basler Zeitung» kürzlich auf den Punkt brachte: Man fühlt sich in der Schweiz nicht wahrgenommen. Die letzte Wahl eines Bundesrats aus der Region liegt sechzig Jahre zurück. Und das grosse Bahnprojekt, die Verbindung des Flughafens mit dem Bahnhof, wird vom Bund nicht ernst genommen.
Im Aussen fühlt man sich klein. Im Innen dafür umso grösser. Das zeigt sich im krassen Lokalpatriotismus (siehe Box). Deshalb nehmen die Bebbi auch nicht wahr, wenn es Niederlagen hagelt. Solange es den Fussball, die Fasnacht und den Fährimaa gibt, ist ihre Welt in Ordnung, da darf der FCB ruhig grottig spielen. Noa Thurneysen weiss, weshalb: «Für uns sind das wichtige, identitätsstiftende Institutionen.» Der 33-Jährige Fährimaa hat natürlich eine FCB-Jahreskarte. Thurneysen bringt «Erwaggseni für 1.60, Binggis und Buschiwaage für 80 Rappe» vom Münster nach «Glaibasel», dieser Tage etwas langsamer als sonst. Denn das ist ein weiteres Unglück für Basel: Der Wasserstand ist so tief wie seit Jahrzehnten nicht mehr, die Strömung praktisch gleich null.
Grossartige Fasnacht, «weils für die Stadt schlecht läuft»
Dank FCB und Co. weiss der Basler, wo er hingehört. Das trägt ihn durch Krisen, legt ihn aber auch in Ketten – selbst wenn das niemand hier so sagen würde. Thurneysen erklärt: «Am Ende zieht es uns immer wieder in das Quartier, wo wir aufgewachsen sind.» Er selbst wohnt wieder im Hirzbrunnen, seinem Geburtsquartier. In einem Einfamilienhaus, das er sich mit seinem Job nicht hätte leisten können. Aber die Vorbesitzerin wollte es dem Fährimaa geben.
Gemeinnützigkeit ist typisch. Die Oeris, Burckhardts oder Hoffmanns verwöhnen die Allgemeinheit gerne, wenns um Kunst und Kultur geht. Auch sie halten Basel satt. Will der Zoo seine Aquarien ausbauen, schiesst eine der Familien 30 Millionen ein. Ein Schauspielhaus? Die Ladys vom Basler Daig machten es mit über 20 Millionen möglich. Der FCB bekam ein paar Millionen von der schrulligen Gigi Oeri, die «Tageswoche» von deren Verwandten Béatrice. Meistens verteilen sie ihr Geld anonym. Nach dem Motto: «Me gits, aber me sait nyt.» Protestantisch halt. Und nobel, könnte man denken. Doch sie machen damit auch klar: Sie sind das Alte Basel, sie gehören zum Daig – alle anderen nicht.
Im März wird sich weisen, ob die Serie von Tiefschlägen gewirkt hat. Dann ziehen die Basler durch die Gassen und lassen den Frust raus, den sie übers Jahr in sich hineinfressen. Für Hans-Peter Hammel (71), den Basler Journalisten, den alle nur als «Minu» kennen, ist jetzt schon klar: «Die nächste Fasnacht wird grossartig, weils für die Stadt schlecht läuft.» Während der «drey scheenschte Dääg» wird abgerechnet. Mit allem und allen. Gnadenlos.