Die Tat schockierte das ganze Land: Am Donnerstag, 21. März, tötet Angela N. (75) den kleinen Mergim (†7) völlig unvermittelt mit einem Messer. Der Bub war auf dem Heimweg von der Schule. Was trieb die Schweizer Rentnerin zu dieser unfassbaren Bluttat?
Über das Motiv wird seither gerätselt, die Basler Staatsanwaltschaft stellte die Zurechnungsfähigkeit von N. öffentlich in Frage (BLICK berichtete). Nun meldet Telebasel: Offenbar habe sich die Rentnerin mit dem Mord an dem kleinen Jungen lediglich Gehör bei den Behörden verschaffen wollen.
Täterin als «notorische Querulantin» bekannt
Unmittelbar nach dem Mord an Mergim habe sie sich beim Lokalsender gemeldet und dort einem schockierten Mitarbeiter der Administration mitgeteilt: «Ich habe gerade ein Kind getötet.» Der Grund: Sie fühlte sich von «den Behörden» nicht ernst genommen. «Ich wurde aus meiner Wohnung geschmissen, habe gar keinen Zutritt mehr zu meiner Wohnung. Bei den Behörden hört mir ja auch keiner zu. Irgendwie musste ich mir ja Gehör verschaffen», habe sie dem Telebasel-Mitarbeiter mit ruhiger Stimme gesagt.
N. war bereits seit Jahrzehnten als notorische Querulantin bekannt. Zusammen mit ihrem Lebenspartner hat sie in den frühen 80er-Jahren, damals noch wohnhaft in Allschwil BL, unzählige Petitionen beim Baselbieter Landrat eingereicht. Die beiden wähnten sich als Opfer einer «Justizkorruptionsaffäre» (BLICK berichtete).
Der Streit ist bei der Petitionskommission des Baselbieter Landrats aktenkundig, die entsprechenden Dokumente sind aber unter Verschluss.
«Wenn Politiker versagen, sprechen die Waffen»
Das Thema beschäftigte jedoch auch den damaligen Nationalratspräsidenten Arnold Koller, wie jetzt bekannt wird. Im Bundesarchiv in Bern fülle die Korrespondenz zwischen Angela N.s Lebenspartner R. R. und den Behörden ein über 300 Seiten dickes Dossier, schreibt «20 Minuten». Die meisten der Briefe habe N. mitunterzeichnet.
Anlass für den jahrelangen Zwist mit den Behörden waren demnach eine Pfändung von Briefmarken und Münzen, die 1979 widerrechtlich verfügt worden sein soll, sowie ein Strafbefehl, den R. 1980 kassierte, weil er einem Aufgebot für den Zivilschutz nicht Folge geleistet hatte. R. weigerte sich, die Busse anzuerkennen. «Die Kantonspolizei drohte unter der Haustür nun lautstark mit Haftbefehl», ist in einem «Tatsachenbericht» festgehalten, den R. als Beilage dem Nationalratspräsidenten zukommen liess.
Die Polizei sei mehrfach an der Haustür des Paares aufgetaucht, R. habe sich stets geweigert, zu öffnen. Es wurden neuerliche Strafbefehle ausgestellt, Betreibungen und Pfändungen eingeleitet. R. wehrte sich mit Beschwerden, Rekursen, Anklagen, gelangte sogar bis nach Strassburg. «Seit April 1981 warten wir auf eine erlösende Stellungnahme aus Strassburg», heisst es in einem der archivierten Briefe. «Die Justiz benützt die lange Wartezeit dazu, uns zu ruinieren.»
«Wenn Politiker versagen, sprechen die Waffen», schrieb Angela N.s Lebenspartner schliesslich am 24. Juli 1985 in einem eingeschriebenen Brief an Koller.
1997 wurde das Paar aus der Wohnung in Allschwil gewiesen und fand in einem Apartmenthaus in Basel-Stadt eine neue Bleibe. Im März 1999 verstarb der Partner von N. Nach dem Schicksalsschlag wuchs Angela N.s Schuldenberg. 2007 wurde sie bevormundet.
Verzweifeltes Schreiben an Ex-Vermieter
Im vergangenen Sommer verlor Angela N. schliesslich ihr Zimmer im Apartmenthaus an der Schützenmattstrasse, weil das Gebäude umgenutzt werden sollte. Die Rentnerin wandte sich laut «20 Minuten» nach dem Erhalt der Kündigung mit einem Einschreiben an den Landrat und ihre ehemaligen Vermieter aus Allschwil. Darin beschwerte sie sich, dass die Ausweisung 1997 rechtswidrig gewesen sei und verlangte verzweifelt die Rückgabe ihrer alten Wohnung.
Darauf tauchte die Rentnerin unter. Wo sie in der Zeit zwischen dem Rauswurf aus dem Apartmenthaus und der Bluttat vom 21. März unterkommen konnte, ist unklar. Heute sitzt Angela N., die sich der Polizei freiwillig stellte, in U-Haft. Sie wird psychiatrisch abgeklärt. (fr/noo)