Familie Nocerino in Pratteln BL noch immer geschockt
«Der Nachbar hat unser Haus in die Luft gejagt»

Ein Nachbar wollte sich umbringen und riss die anderen Mieter des Mehrfamilienhauses mit ins Unglück: Stundenlang mussten sie unter Wänden verschüttet ausharren. Am vergangenen Montag sollte dem damals schwer verletzten Nachbarn der Prozess gemacht werden. Doch nun ist dieser verschwunden.
Publiziert: 04.05.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 10:09 Uhr
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Giuseppina Nocerino (l.) mit Sohn Miguel und Tochter Caterina.
Foto: Stefan Bohrer
Von Lea Gnos

Zwei Tage lang steigt Giuseppina Nocerino im April 2012 immer wieder Gasgeruch in die Nase. «Es war seltsam. Ich wollte bei den Nachbarn nachfragen, woher das kommt», sagt sie. Mit ihren drei Kindern wohnte sie damals im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses in Pratteln BL. «Gerade als wir nicht mehr daran dachten, flog plötzlich unsere Wohnung in die Luft», sagt die Hausfrau. Weil ihr Nachbar unter ihnen sich umbringen wollte! Ein Teil des Gebäudes wird komplett weggesprengt. Nocerino und zwei ihrer Kinder werden unter Möbeln, Wänden, Schutt und Asche begraben, überleben nur mit viel Glück. Insgesamt werden acht Menschen verletzt. Viele Familien im Längi-Quartier sind plötzlich obdachlos.

Heute sitzt Giuseppina Nocerino in ihrer neuen Wohnung in Pratteln und kämpft mit den Erinnerungen. «Jetzt kommt alles wieder hoch», sagt sie.Denn am vergangenen Montag sollte dem damals schwer verletzten Nachbar der Prozess gemacht werden. Doch Alfred M.* (55) tauchte nicht vor Gericht auf. Der österreichische Koch ist verschwunden.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm das Verursachen einer Explosion sowie teils schwere Körperverletzung und Sachbeschädigung vor. War es Absicht oder ein Versehen (siehe Box)?

Giuseppina Nocerino, ihre Tochter (24) und ihr Sohn (18) sind in der Stube am Plaudern. Miguel (10) ist im Lift. «Es gab einen Knall, ich sah nur noch wie die Stühle in die Luft flogen, dann stürzte alles zusammen», sagt Tochter Caterina Righi. «Ich dachte, uns findet niemand mehr.» Die Wohnung mit dem ganzen Hab und Gut gibt es auf einen Schlag nicht mehr. Rund fünf Stunden müssen die Verschütteten unter den Trümmern ausharren. Sohn Miguel muss eingeschlossen im Lift warten. «Ich dachte, mein Mami sei tot», sagt er.

Dann die Rettung. Die Rega fliegt die Verletzten mit Knochenbrüchen und Schnittwunden ins Spital. «Bis heute werde ich von Albträumen verfolgt. Immer wieder kommen darin Explosionen vor», sagt Giuseppa Nocerino.

Viele Opfer haben heute noch psychische Probleme. «Ich hatte eine Zeit lang Depressionen und leide noch an Schlafstörungen», sagt ein junger Mann.

Ob es je einen Prozess geben wird, ist wegen des Verschwindens von Alfred M. unklar. Noch zwei Tage vor Prozessbeginn sei er normal zum Dienst erschienen, sagt sein Chef (45). Der Österreicher arbeitete als Koch in einem Restaurant in Birsfelden BL. Doch seit Sonntag hat der Chef nichts mehr von Alfred M. gehört.

Giuseppa Nocerino ist wütend: «Wir finden es eine Frechheit, dass er sich vor dem Prozess drückt.» Wir hoffen, dass die Polizei ihn findet und er vor Gericht kommt.»

*Name bekannt

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