Anifja Jasari (59) aus Riehen BS geht mit ihren drei Hunden spazieren. Dann kommts zur Tragödie: Ein Lastwagen überfährt einen der Hunde. Statt anzuhalten, macht sich der LKW aus dem Staub. Die Polizei Riehen wird alarmiert. Taucht aber nicht auf.
Familie Jasari kann das Handeln der Polizei nicht nachvollziehen und ist wütend und besorgt zugleich: «Meine Mutter hat keine Kraft, um den Vorfall noch einmal zu schildern. Ihr geht es sehr schlecht. Sie nimmt Anti-Depressiva und muss gar zum Psychiater. Sie starrt nur ins Leere und spricht kaum», sagt Tochter Ganimetja Jasari (32) zu BLICK. Ganimetja erzählt BLICK die traumatischen Erlebnisse ihrer Mutter.
Frau rettet sich in Böschung und fällt in Bach
Letzte Woche, Donnerstagmorgen – ein warmer Frühlingstag. Anifja Jasari geht mit ihren drei Hunden spazieren. Ganz gemütlich, denn in der Riehener Strasse «In der Au» herrscht Fahrverbot. Plötzlich braust ein Lastwagen heran. Anifja Jasari weicht aus, wird aber dennoch vom LKW angefahren. Dadurch landet sie im Bächlein, das gleich neben dem Spazierweg vorbeirauscht. Sie verletzt sich am Sprunggelenk.
Zwei von Jasaris Hunden, Samira (2) und ihr Welpe Nino (10 Monate) reisst die Frau mit sich hinunter ins Wasser. Der dritte Vierbeiner, ein Shih Tzu, bleibt auf dem Randstein. Er heisst Chucky und ist sieben Jahre alt. Trotz lautem Rufen – Chucky verharrt in Schockstarre. Der tonnenschwere Lastwagen bremst nicht ab.
Das Hinterrad des Lasters trifft das Tier frontal. Ganimetja: «Durch die Wucht verdrehte sich Chuckys Köpfchen um fast 360 Grad. Sein Haupt wurde vom Rest des Körpers umgedreht.»
Chuckys Kopf hängt herunter. Anifja Jasari nimmt ihren Liebling in die Arme und drückt ihn fest an sich. Er blutet aus der Nase und aus dem Mund. Sein Herz schlägt nicht mehr. Weinend und schreiend läuft Anifja die 1,5 km nach Hause. Den toten Chucky im Arm.
Polizei sah keine Dringlichkeit
Familie Jasari alarmiert umgehend den Polizeiposten Riehen. «Sie sagten uns, dass sie eine Patrouille vorbeischicken», erzählt Ganimetja. Stunden vergehen. Nichts passiert. Toprak Yerguz, Sprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt, sagt zu BLICK: «Eine Dringlichkeit war den Mitarbeitenden nicht sofort ersichtlich. Auf der Einsatzzentrale wurde beschlossen, das Veterinäramt zum Bergen des toten Tiers zu schicken.»
Nach dem x-ten Telefonat von Ganimetja Jasari an die Polizei sagt ihr ein Riehener Polizist, es handle sich um einen «Sachschaden». Für so etwas werde niemand ausrücken.
«Ich bin frustriert und enttäuscht. Ich habe dem Polizisten gesagt, dass ein Lebewesen getötet wurde. Überdies werden Tiere nach dem neuen Tiergesetz sowieso nicht mehr als Sache betrachtet.»
Ganimetja erzählt, dass die Polizei mit ihrer Mutter sprechen wollte. «Sie war am Boden zerstört. Zudem kann sie nicht gut Deutsch. Wir sind serbischer Herkunft. Sie konnte unmöglich am Telefon Auskunft geben.» Laut Ganimetja habe der Polizist dann abfällig geantwortet, dass so etwas typisch für Ausländer sei.
Die Tochter meint weiter: «Die Polizei hat nicht nur falsch und herablassend – sondern auch rassistisch gehandelt. Wegen unserer Herkunft wurden wir nicht ernst genommen. Wohl deswegen rückte die Polizei Riehen nicht aus.»
Grosse Anteilnahme an Chuckys Tod
Yerguz: «Wir weisen den Vorwurf des Rassismus zurück.» Er räumt jedoch ein, dass der Fall Chucky nicht optimal verlaufen sei. «Erst als es danach zu weiteren Telefonaten mit der Person kam, die sich mit der Polizei in Verbindung setzte und diese anforderte, wurde das Ausmass des Unfalls ersichtlich. Dass in diesem Fall aufgrund von Missverständnissen der Beizug der Verkehrspolizei länger gedauert hat, bedauern wir sehr.» Man werde sich mit bei der Person, die sich mit der Polizei in Verbindung setzte und diese anforderte, schriftlich melden. Die Ermittlungen der Verkehrspolizei sind im Gange.
Die Jasaris sind noch immer am Boden zerstört: «Ein rücksichtsloser LKW-Fahrer hat uns Chucky weggenommen und meine Mutter verletzt», so Ganimetja. «Chucky war der Liebling der Familie.»
Immerhin: Die Anteilnahme an Chucks Tod ist enorm. «In den letzten Tagen kontaktierten uns fast hundert Leute, um ihr Beileid für Chucky auszusprechen.»