Die Überraschung war gross: Auf der Strecke Basel–Zürich bekam Pendler David Zumbrunn (29) am Mittwoch im vollen Zug einen Heiratsantrag von seiner Freundin Rosanna (32). «Heute, in diesem Zug, vor 415 Leuten, frage ich dich: Willst du mit mir in die Zukunft reisen?», klang es aus dem Lautsprecher. Die herzige Überraschung war geglückt. Der Grafiker, der seit fünf Jahren mit Rosanna zusammen ist, sagte «mit einem Freudentränli im Auge» Ja.
Bei Facebook sorgte Rosannas Heiratsantrag für eine lebhafte Diskussion. «Ich dachte, das macht der Mann. Sehr herzig von ihr. War er zu scheu?», fragt sich User Peter Stutz. «Frauen können das auch, warum müssen das immer Männer machen? Respekt, Rosanna!», schreibt Leser Dani Destino.
Userin Lina Miller ist kein Fan davon, dass Rosanna die Initiative ergriff: «Die Idee an sich ist zweifellos romantisch. Nur traurig, dass es von einer Frau kommt und nicht andersrum, so wie es sich gehört.» Auch Leserin Andrea Loosli gibt sich traditionsbewusst. «Normalerweise sollte dies umgekehrt sein. Hmmm. Ist es schon so weit, dass Frauen das tun?», kommentiert sie.
Gegenseitiger Antrag wegen gleichberechtigter Beziehung
Für viele ist also klar: Der Mann soll den Heiratsantrag machen. Ist diese Vorstellung nun total veraltet oder romantisch und traditionell? Hinter Rosannas Antrag steckt eine Vorgeschichte, wie die frisch verlobte Lehrerin gegenüber BLICK erzählt. «Wir hatten schon seit etwa anderthalb Jahren übers Heiraten geredet. Weil wir in einer gleichberechtigten Beziehung leben, wollten wir uns beide gegenseitig einen Antrag machen.» David habe aber nicht damit gerechnet, dass Rosanna später auch wirklich nachziehen würde und liess deshalb seiner Freundin den Vortritt.
Nicht zeitgemäss, wenn die Frau warten muss
«Immer, wenn ich dezent nach seinem Antrag fragte, gab er vor, dass er etwas Spektakuläres geplant habe. Das setzte mich unter Druck. Deshalb machte ich nun den ersten Schritt», erklärt Rosanna.
Rosanna sagt: «Ich verstehe die Kritik daran, dass eine Frau den ersten Schritt macht. Gleichzeitig finde ich es nicht zeitgemäss, dass man als Frau darauf warten muss. Es bringt uns in eine Abhängigkeit vom Mann, wenn wir darauf hoffen müssen, dass er endlich fragt. Das finde ich schade.»
Nach ihrem geglückten Liebes-Geständnis im Zug ist nun also Rosannas künftiger Ehemann an der Reihe. «Ich bin schon gespannt auf seinen Heiratsantrag», sagt sie glücklich. «Ich habe ihm aber schon gesagt, dass er durchaus einen dezenteren Weg als ich wählen darf. Ich habe nicht damit gerechnet, dass mein Antrag solche Wellen schlägt.»
Haben Sie selber einen aussergewöhnlichen Heiratsantrag gemacht oder hielt jemand spektakulär um Ihre Hand an? Melden Sie sich per E-Mail unter redaktion@blick.ch oder per Whatsapp bei der BLICK-Redaktion!
Heiratsanträge von Frauen sind immer noch selten. Warum? Soziologin Fleur Weibel forscht an der Universität Basel zu Hochzeitspraktiken in der Schweiz. «Dass weiterhin viele finden, der Mann müsse den Antrag stellen, hat mit klassischen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zu tun. Historisch betrachtet ist der Mann der Aktive, der um die Hand der Frau anhält. Dieses Bild ist weiterhin für viele attraktiv», sagt sie.
«Ausserdem wünschen sich viele Frauen, mal mit einem romantischen Antrag überrascht zu werden, während Männer diesen Wunsch, falls sie ihn haben, vielleicht nicht so äussern können. So sind die Rollen bei heterosexuellen Paaren, wenn es um den Antrag geht, oft noch klar nach stereotypem Muster verteilt. Auch wenn sie im Alltag nicht unbedingt so leben.»
Die überwiegende Mehrheit der Anträge werde weiterhin von Männern gemacht und von den Frauen erwartet. «Allenfalls gibt es heute mehr Aufmerksamkeit für Anträge von Frauen, weil Hochzeitsanträge allgemein auf grosses öffentliches Interesse, beispielsweise in den sozialen Medien, stossen», erklärt Weibel.
Generell ergreifen Frauen, die sich weniger an klassischen Geschlechterstereotypen orientieren, eher die Initiative. Das seien Frauen, «die sich vorstellen können, selbst die aktive Rolle der Fragenden zu übernehmen. Die es nicht nur romantisch finden, wenn sie einen Antrag kriegen, sondern es auch romantisch finden, wenn sie selbst ihren Partner mit einem Antrag überraschen können».
Heiratsanträge von Frauen sind immer noch selten. Warum? Soziologin Fleur Weibel forscht an der Universität Basel zu Hochzeitspraktiken in der Schweiz. «Dass weiterhin viele finden, der Mann müsse den Antrag stellen, hat mit klassischen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zu tun. Historisch betrachtet ist der Mann der Aktive, der um die Hand der Frau anhält. Dieses Bild ist weiterhin für viele attraktiv», sagt sie.
«Ausserdem wünschen sich viele Frauen, mal mit einem romantischen Antrag überrascht zu werden, während Männer diesen Wunsch, falls sie ihn haben, vielleicht nicht so äussern können. So sind die Rollen bei heterosexuellen Paaren, wenn es um den Antrag geht, oft noch klar nach stereotypem Muster verteilt. Auch wenn sie im Alltag nicht unbedingt so leben.»
Die überwiegende Mehrheit der Anträge werde weiterhin von Männern gemacht und von den Frauen erwartet. «Allenfalls gibt es heute mehr Aufmerksamkeit für Anträge von Frauen, weil Hochzeitsanträge allgemein auf grosses öffentliches Interesse, beispielsweise in den sozialen Medien, stossen», erklärt Weibel.
Generell ergreifen Frauen, die sich weniger an klassischen Geschlechterstereotypen orientieren, eher die Initiative. Das seien Frauen, «die sich vorstellen können, selbst die aktive Rolle der Fragenden zu übernehmen. Die es nicht nur romantisch finden, wenn sie einen Antrag kriegen, sondern es auch romantisch finden, wenn sie selbst ihren Partner mit einem Antrag überraschen können».