Ultramarin-weiss gestreiftes Hemd, dunkelblaues Gilet mit Einstecktuch und aufpolierte Lederschuhe: So betritt Helmut M.* (82) zügigen Schrittes das Strafgericht Basel. «Ich bin das erste Mal in einem Gerichtssaal, kannte Gerichte bisher nur aus Filmen», sagt der Deutsche beim Prozessauftakt.
Er weiss sich zu inszenieren, ist wortgewandt und lässt seinen Charme spielen. Doch der Schein des adretten Senioren mit den schneeweissen Haaren trügt. Dem einstigen Bergmann aus dem Ruhrgebiet wird Diebstahl, versuchter Betrug und mehrfache Urkundenfälschung vorgeworfen. Seine Masche: bezirzen, beklauen, beerben. Die Opfer des Gigolo-Rentners: vier vermögende, betagte Damen – die meisten indes verstorben. Doch die Erben fordern Gerechtigkeit.
Omega-Uhr, Gemälde und eine Blanko-Unterschrift
Erstmals schlug M. 2008 zu und brachte sein Opfer dazu, Schmuck und Bargeld im Wert von 328'580 Franken bei ihrer Bank in Basel abzuholen, um es ihr dann zu stehlen. Wenige Monate später in Zürich nötigt er ein weiteres Opfer zu einer Blankounterschrift für einen Vertrag, um den Diebstahl einer Omega-Uhr und eines Gemäldes zu vertuschen. Der Deutsche wehrt sich: «Ich nehme doch nichts, was nicht mir gehört.»
Der Lebemann, der indes in einer eingetragenen Partnerschaft mit seinem 20 Jahre jüngeren Chauffeur lebt, macht vor Gericht keinen Hehl aus seinem Luxusleben: viele Reisen, dazu eine Villa an der Costa Blanca. Das Anwesen habe er erst kürzlich verkauft, ebenso eine seiner Eigentumswohnungen – Erlös: rund eine Million Franken.
Vor Gericht mutiert der Prozess zur Gauner-Komödie
Der Prozess gleicht einer Gauner-Komödie. Der Gigolo-Rentner kokettiert, verliert sich in Ausschweifungen, schwelgt in Erinnerungen an seine Bekanntschaften. Und beteuert immer wieder seine Unschuld: «Da ist ein Regie-Fehler unterlaufen.»
Am Ende schlägt sein letzter Coup in La Tour-de-Peilz VD am Genfersee fehl. Obwohl M. beim Diebstahl von Gemälden und antikem Inventar im Wert von über 26'000 Franken aus der Wohnung des vierten Opfers mit Kalkül vorging. So tauschte er Originalgemälde gegen Fotoprints. Der Betrug flog auf.
Der Gigolo-Rentner scheute selbst bei der Testamentseröffnung seiner vermeintlichen Liebe im Mai 2015 nicht davor zurück, einen gefälschten Treuhandvertrag über 400'000 Franken einzureichen. Obwohl der Schwindel aufflog, hält M. an der Echtheit fest, sieht sich selbst als Geschädigten. Seine Sicht der Dinge: «Die Erben haben immer noch mein Geld.»
Festnahme noch im Gericht
Der Senior beharrte bis zuletzt auf seiner Unschuld, zeigte sich aber pragmatisch: «Verurteilt werde ich mit Sicherheit, aber ich hoffe auf eine milde Strafe. Wenn ich doch ins Gefängnis muss – meine Waschtasche für den Knast habe ich dabei», sagt er noch vor dem Urteilsspruch mit einem Lächeln zu BLICK.
Doch für einmal half sein Charme nicht weiter. Das klare Urteil: vier Jahre Freiheitsstrafe sowie 10'000 Franken und 1000 Euro Schadenersatz an die Privatklägerinnen – die Erbinnen des vierten Opfers. Wegen Fluchtgefahr wurde Helmut M. noch an Ort und Stelle im Gerichtssaal in Sicherheitshaft genommen und abgeführt.
* Name geändert