Es war die Eskalation im Basler Kickboxer-Krieg: Am 24. Februar 2014 griff Paulo Balicha (41) mit einer rund 20 Männer grossen, vermummten und mit Schlagstöcken bewaffneten Truppe das Kampfsportcenter von Erzfeind Shemsi Beqiri (32) in Reinach BL an. Balicha forderte Beqiri zum Kampf einer gegen einen auf. Die beiden mehrmaligen Kickbox-Weltmeister bekämpften sich minutenlang. Der Überfall wurde auf Video festgehalten.
Dabei waren die beiden Kontrahenten einst befreundet: Balicha war Beqiris Mentor und Trainer. Doch Beqiri fand, dass Balicha ihn sportlich nicht mehr weiterbringen könne. Es kam zum Streit. Provokationen, Beleidigungen folgten. Und dann der Überfall.
Fast viereinhalb Jahre nach der Attacke beginnt heute früh der Prozess am Strafgericht des Kantons Baselland in Muttenz BL.
Das Strafgericht zeigt BLICK die Dimensionen des Monsterprozesses auf: 17 Angeklagte, 31 Opfer, 65 Seiten Anklageschrift. Vor Prozessbeginn mussten über 50 Ordner studiert werden. Jeder umfasst mehrere hundert Seiten.
BLICK stellte beide Protagonisten vor Prozessbeginn zur Rede
Beqiri ist vor dem Prozess nicht zuversichtlich: «Es hat viel zu lange gedauert, bis es zum Prozess kommt. Ich fühle mich vom System verarscht.» Das Video, das Hauptbeweismittel, spreche doch eine klare Sprache, sagt Beqiri.
Vor dem Angriff generierte sein Trainingscenter Einnahmen von 500'000 bis 800'000 Franken jährlich, erzählt der Schweizer mit kosovarischen Wurzeln. Doch durch den Angriff verlor er unzählige Mitglieder – und viel Geld. Beqiri: «Ich habe 20 Jahre investiert und mir etwas aufgebaut. Mit dieser Aktion hat Balicha meine Existenz zerstört. Es ging ihm nie um einen Eins-gegen-eins-Fight.»
Beqiri erzählt, dass es drei Tage vor dem Angriff zu einer Begegnung zwischen ihm und Balicha kam: «Wir liefen uns in einem Basler Parkhaus über den Weg. Ich war alleine. Er war mit zwei Kollegen da. Er hätte mich auch dort schlagen können. Doch er tat es nicht. Er wollte mich dort zerstören, wo es mir am meisten wehtut: am Ort, wo ich meinen Lebensunterhalt verdiene.»
Beqiri hat jetzt ein neues Center im Basler Dreispitz-Areal. «Die Infrastruktur ist mies. Wir haben beispielsweise nur Toi-Toi-Toiletten.» Das Center wirft kaum Geld ab. «Ich bin froh, wenn ich die Miete bezahlen kann.» Dazu fehlen Beqiri frühere Sponsorenverträge. «Ich bin auf Jobsuche. Ich bin ja gelernter Gipser. Bis jetzt hagelte es aber nur Absagen.»
Beqiri ist von allen enttäuscht
Beqiri ist von allen enttäuscht: von der Justiz und von Balicha. «Es ist einfach nur traurig. Ich habe keine Hoffnung, dass der Prozess etwas hervorbringt. Ich glaube auch nicht, dass die Angreifer bestraft werden.»
Balicha selbst bereut das Geschehene: «Es war ein Fehler. Ich habe mir in 30 Jahren dank meines Sports eine Existenz aufgebaut. In wenigen Minuten habe ich alles kaputtgemacht. Es tut mit leid für die Personen, die an diesem Tag im Trainingscenter waren und die nicht an der ganzen Sache beteiligt waren. Im Idealfall wäre nur Shemsi da gewesen.»
Balicha sagt, Medien und Öffentlichkeit hätten von Anfang an ihre Position bezogen: «Für alle bin ich der Böse und Shemsi der Gute. Doch Shemsi ist kein Engel. Er hat mich jahrelang provoziert und beleidigt.»
Doch er sei froh, dass es nun endlich zum Prozess komme. «Das Beweismittel, das Video, entlastet mich. Alle sagen, ich habe Shemsi feige mit Schlagringen angegriffen. Auf dem Video ist die Wahrheit zu sehen. Es waren auch keine Messer und keine Schusswaffen involviert.»
Balicha will für Taten büssen
Dass er der Täter ist, sei unbestritten: «Ich werde für meine Taten geradestehen. Ich bin ein emotionaler Mensch. Bis zu diesem Tag im Februar 2014 waren meine Emotionen stets positiv.»
Auch wenn das Urteil noch nicht gesprochen ist – Balicha findet, das Leben habe ihn bereits bestraft: «Ich habe in den vier Jahren seit dem Überfall viel verloren. Viele Menschen beurteilen mich seither anders. Doch ich habe auch viel gelernt.»
Würde er des Landes verwiesen, wäre Balicha traurig. «Doch ich befinde mich in einer machtlosen Position. Ich hoffe, ich erhalte die Chance, mich zu rehabilitieren.»
Die Parteiverhandlungen dauern zwei Wochen. Das Urteil wird erst am 20. September verkündet.