Ein Klopfen aus dem Kühlraum reisst LKW-Fahrer Manuel Rohrbach (30) aus Ormalingen BL aus dem Schlaf. Der Chauffeur hat wegen eines Staus auf einer Raststätte in der Nähe von Brüssel übernachtet – und möchte am Morgen eigentlich nur noch seine Ladung Altkleider nach Antwerpen liefern. Die Geräusche verschwinden nicht. «Zuerst dachte ich an einen technischen Defekt. Aber mir war schnell klar, dass sich jemand im Laderaum befinden muss», sagt der Baselbieter zu BLICK.
Der Fall passierte rund eine Woche bevor östlich von London 39 Männer und Frauen tot in einem Kühlcontainer aufgefunden wurden. «Das ist die absolute Horrorvorstellung eines jeden Fahrers», so Rohrbach.
Der Chauffeur ruft die belgische Polizei an. Wie viele Menschen sich hinten drin versteckt haben, weiss er nicht. Und dass sie klopfen, deutet auf ein grösseres Problem hin.
Nach drei Stunden ist die Polizei immer noch nicht da
Doch nach mehr als drei Stunden ist die Polizei noch immer nicht aufgetaucht. Und unterdessen fällt ihm ein polnischer Kollege auf, der offenbar ebenfalls blinde Passagiere an Bord hat. «Wir fühlten uns alleine gelassen. Dazu kann ich es mir gar nicht leisten, so lange herumzustehen.» Also beschlossen die Männer, die Sache selber in die Hand zu nehmen.
Zuerst habe der polnische Fahrer den Laderaum geöffnet. «Sofort kletterten etwa ein halbes Dutzend junge Männer über seine Ladung ins Freie», so Rohrbach. Etwa sechs weitere hätten sich zunächst geweigert, den LKW zu verlassen, seien ziemlich unfreundlich gewesen. Als der Schweizer Trucker danach seinen Laderaum öffnet, beginnt der Fahrer aus Polen zu filmen.
Über Altkleidersäcke flüchten die Männer aus dem LKW
Unmittelbar klettern zwei Männer über die Altkleidersäcke und verschwinden über eine Wiese. «Ich nehme an, es waren wohl Syrer, die nach England weiterwollten», mutmasst Rohrbach. In Zeichensprache will der Chauffeur von den Flüchtenden noch in Erfahrung bringen, ob sich weitere Personen im Laderaum befinden. Als die Polizei schliesslich eintrifft, sind die meisten der Männer schon verschwunden.
Nur eine Woche später wird in England der Container mit 39 toten Vietnamesen gefunden. Und dem Schweizer läuft es kalt den Rücken herunter: «Ich habe nur gedacht, hoffentlich handelt es sich nicht um meine Flüchtlinge.» Warum sich die Flüchtlinge bei ihm durch Klopfen selber bemerkbar gemacht haben, kann Rohrbach nur spekulieren. Seine Kollegen haben sofort daran gedacht, dass die Luft ausgegangen sein könnte. «Weil ich einige Stunden gestanden bin, könnten sie aber auch schlicht ungeduldig geworden sein. Aber klar, sie hätten auch tot sein können.»
Ein Fall, der nachdenklich macht
Die dramatische Situation hat dem Chauffeur zu denken gegeben: «Die Schweiz ist einfach eine Traumwelt. Aber sobald man die Grenze überquert, sieht es ganz anders aus.»
Trotz Flüchtlingswelle handelt es sich um einen Einzelfall, heisst es vom Schweizerischen Nutzfahrzeugverband Astag. LKW-Unternehmer und SVP-Politiker Ulrich Giezendanner (66) sagt: «Die Bilder sind Horror!» Er kennt aber zum Glück keinen ähnlichen Fall. «Von der Schweiz aus finden die meisten internationalen Transporte per Bahn statt. Und dort kommt man nicht so leicht in die Laderäume.»
Flüchtlinge nehmen den gefährlichen Weg in engen Lastwagen-Laderäumen auf sich, um schnell und unerkannt über Grenzen zu reisen. Für die Reise bezahlen sie Tausende Franken. Wer sich keinen Schlepper leisten kann, probiert es auf eigene Faust – wie offenbar jene im Fall des Schweizer Lastwagenfahrers, der plötzlich Klopfgeräusche hörte. Klar ist: Die Fahrt im Laderaum ist gefährlich. Und kann tödlich enden.
Aufsehen erregte im August 2015 die Flüchtlingstragödie bei Parndorf (A): Die europäische Flüchtlingskrise war auf dem Höhepunkt, als die Behörden im luftdicht verschlossenen Laderaum eines verlassenen Lastwagens einen grausigen Fund machten. 71 Menschen, darunter acht Frauen und vier Kinder, waren qualvoll erstickt. Sie stammten aus dem Irak, Afghanistan, Syrien und dem Iran. Tragisch: Die ungarische Polizei hätte ihren Tod verhindern können, wertete die Gespräche der Schlepper jedoch zu spät aus.
Im Oktober dieses Jahres fand die Polizei in Grays in der Grafschaft Essex östlich von London 39 Leichen im Laderaum eines Lastwagens: 31 Männer, acht Frauen. Nach bisherigen Erkenntnissen stammen alle Todesopfer aus Vietnam, möglicherweise sind sie erfroren. Wo die Flüchtlinge zustiegen, ist noch unklar. Die Polizei ermittelt wegen Totschlags und Menschenhandel. Gegen den 25 Jahre alten Fahrer des Lastwagens wurde Anklage erhoben, er sitzt in Haft.
Flüchtlinge nehmen den gefährlichen Weg in engen Lastwagen-Laderäumen auf sich, um schnell und unerkannt über Grenzen zu reisen. Für die Reise bezahlen sie Tausende Franken. Wer sich keinen Schlepper leisten kann, probiert es auf eigene Faust – wie offenbar jene im Fall des Schweizer Lastwagenfahrers, der plötzlich Klopfgeräusche hörte. Klar ist: Die Fahrt im Laderaum ist gefährlich. Und kann tödlich enden.
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