Diese Meldung sorgte in Basel für Entsetzen. In der Nacht auf den 29. Oktober 2021 wurde eine junge Frau nach einem Clubbesuch mitten in der Stadt von einem Unbekannten vergewaltigt. Der Mann fiel in einer düsteren Unterführung am Lohweg in der Nähe der Steinenvorstadt über sein Opfer her.
Drei Tage später konnte die Polizei mit Emran C. (20)* einen Verdächtigen schnappen. Seither sitzt der Afghane in Haft. Seit Dienstagmorgen muss er sich vor dem Strafgericht Basel-Stadt verantworten.
C. soll an jenem Abend keine Grenzen gekannt haben. Allein ging er in den Balz Club, wo eine Halloween-Party lief. Dort habe er schon vor der Kasse die ersten Opfer belästigt, wie aus der Anklageschrift zu entnehmen ist. Er soll an den Haaren zweier Frauen gerochen und ihnen über den Rücken gestreichelt haben.
«Offensichtlich auf der Suche nach körperlichen Kontakten»
Im Club habe er sich dann an mehrere ihm unbekannte Damen herangemacht. «Der Beschuldigte war in dieser Nacht ganz offensichtlich auf der Suche nach körperlichen Kontakten zu Frauen, sprach er doch während seines fast vierstündigen Aufenthaltes im Balz Club sehr offensiv zahlreiche unbekannt gebliebene weibliche Personen an», schreibt die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift. Einige soll er unaufgefordert umarmt und betatscht haben, mindestens eine Frau habe er sogar unter der Kleidung begrapscht, eine andere geküsst.
Auch eine betrunkene Frau im Fumoir habe Emran C. bedrängt – und diese sogar hochgehoben. Auf der Tanzfläche lernte er dann sein späteres Opfer kennen. Aus der Anklageschrift geht hervor: Die junge Frau war erheblich alkoholisiert. Sie habe eng umschlungen mit Emran C. getanzt und ihn auch geküsst. Später sollen sie rausgegangen sein und dort weiter rumgemacht haben. Doch als es der jungen Frau zu viel wurde, ging sie wieder in den Club zu ihrer Freundin.
«Sie flehte ihn an, damit aufzuhören»
Auch Emran C. soll wieder in den Club gegangen sein und die junge Frau etwas später vor den Toiletten entdeckt haben. Sie hätten sich gemäss Staatsanwaltschaft unterhalten und seien nochmals zusammen auf die Tanzfläche.
Als die junge Frau den Club verliess, folgte ihr der Afghane. In einer nahen Unterführung soll es dann zum Übergriff gekommen sein. Das Opfer habe Emran C. mehrmals wegzustossen versucht, war ihm aber körperlich sowie aufgrund des Alkoholkosums unterlegen. Er soll die Frau gegen die Wand gedrückt haben. «Er hat mich recht schnell ausgezogen, gegen die Wand gedrückt und an der Schulter festgehalten», sagte das Opfer vor Gericht.
«Sie sagte ihm mehrfach, dass sie das nicht wolle und flehte ihn an, damit aufzuhören», so die Staatsanwaltschaft. Das Opfer sagte mehrere Male Stopp – dennoch soll C. weiter gemacht haben. Das wiederholte die junge Frau auch mehrfach vor Gericht. «Er tat so, als ob er es nicht gehört hätte, dass ich mehrmals ‹stopp› sagte.»
«Ich habe erst realisiert, was passiert, als er mich auszog», sagt das Opfer den drei Richtern unter Tränen. Als sie merkte, dass er nicht aufhören würde, sei sie in eine Schockstarre gefallen. «Ich blickte nur noch auf den Boden und liess es über mich ergehen.»
Als das Opfer wieder bekleidet war, «tat er so, als wäre nichts gewesen», sagt die Frau vor Gericht. Nach dem Vorfall hatte das Opfer blaue Flecken im Gesicht – vom gegen die Wand gedrückt werden.
Dem Täter droht wohl kein Knast, aber Landesverweis
Nach dem mutmasslichen Übergriff ging das Opfer zurück in den Club zu ihrer Freundin. Umgehend ging die verletzte junge Frau mit der Freundin zur Polizei und erstattete Anzeige. Emran C. konnte erst einige Tage später und nach einem Zeugenaufruf identifiziert werden. Auch andere Frauen haben Anzeige erstattet wegen sexueller Belästigung.
Der Beschuldigte behauptete vor Gericht, dass jegliche sexuellen Handlungen von der Frau initiiert wurden. Sie habe Sex von ihm gewollt – er jedoch nicht. Und: Es sei gar nie zu Geschlechtsverkehr gekommen. Wie sein Sperma auf die Innenseite des Bodys des Opfers gelangen konnte, dafür hatte Emran C. jedoch keine Erklärung.
Die Staatsanwaltin fordert eine bedingte Haftstrafe von 24 Monaten, eine Busse von 1000 Franken und ein Landesverweis von acht Jahren. Sollten die Richter diesem Antrag folgen und Emran C. vollumfänglich schuldig sprechen, wäre er aufgrund des bedingten Vollzugs danach trotzdem ein freier Mann. Bisher sass er in U-Haft. Dass Richter eine höhere Strafe verhängen als die Staatsanwaltschaft fordert, ist eher selten.
Mutter des Angeklagten hat Heulkrampf
Die Verteidigerin fordert einen Freispruch, unter anderem auch wegen der Hetzjagd gegen ihren Mandanten auf Social Media, inklusive Publikation seines Fotos und massiven Drohungen. Zudem habe das rechtsmedizinische Gutachten keine Beweise für eine Vergewaltigung gefunden, so die Anwältin von Emran C.
Nach Ende der Verhandlung stürmte die Mutter des Angeklagten fuchtelnd, schreiend und weinend aus dem Gerichtssaal und versuchte vergeblich ihren Sohn, der von zwei Polizisten wieder ins Untersuchungsgefängnis zurückgeführt wurde, zu umarmen. Der Heulkrampf der am Boden sitzenden alten Frau dauerte mehrere Minuten an, bevor sie wieder beruhigt werden konnte.
Das Urteil wird am Freitag erwartet.
*Name geändert.