Ärzte über Besserwisser-Patienten
«Nicht jedes Schwindelgefühl ist ein Hirntumor»

Oft diagnostizieren Patienten bei sich selbst eine Krankheit, ohne einen Arzt gefragt oder gar besucht zu haben. Die Infos der Patienten stammen meist aus dem Internet. Die Ärzte rufen aus und mahnen zur Vorsicht vor «Dr. Google».
Publiziert: 28.08.2018 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 23.09.2018 um 20:32 Uhr
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Viele Patienten kommen mit eigenen Diagnosen, die sie bei Google recherchiert haben, zum Arzttermin.
Foto: Keystone
Nicolas Lurati

Für viele Ärzte sind Patienten, die alles besser wissen als die studierten Mediziner, ein Ärgernis. Sie kommen mit eigenen Diagnosen, die sie bei Google recherchiert haben und meinen, ihre Erkrankung schon selbst erkannt zu haben. Zwar raten Patientenschützer zu hartnäckigen Nachfragen und Vorinformationen (BLICK berichtete). Doch Ärzte halten nicht viel vom Trend zur Selbstdiagnose. 

Philipp Martin (57), Allgemeinarzt in Allschwil BL bestätigt: «Viele Menschen haben ein Weh, googeln – und bekommen dann Angst. Im Internet findet man Fehldiagnosen oder viel zu schlimme Diagnosen. Nicht jedes Schwindelgefühl heisst gleich Hirntumor. Wenn die Menschen jedoch auf den physischen Arztbesuch zurückgreifen und die Symptome schildern, kann ich als Arzt dann oftmals beruhigen.»

Patientenstau in der Notaufnahme

Martin kritisiert auch die Situation auf Schweizer Notfallstationen: «Viele Menschen rennen wegen jeder Kleinigkeit dorthin. Das weiss ich aus eigener Erfahrung, denn ich arbeitete mehrere Jahre für den hausärztlichen Notfalldienst eines Spitals.»

Auch ein Schweizer Facharzt für Orthopädische Chirurgie sieht im Internet und in Suchmaschinen viel Negatives: «Ich wäre mit medizinischen Infos aus dem Internet sehr vorsichtig. Oftmals stellen sich Menschen eine eigene Diagnose.» Er nennt ein Beispiel: «Ein Patient verspürt nach einer Verletzung im Fussball Schmerzen an der Innenseite des Knies. Er konsultiert das Internet – Kreuzbandriss! Dabei ist es bloss eine harmlose Bandzerrung.»

Im Internet stösst man auf Horrorbefunde

Der Schweizer Ärzteverband (FMH) bestätigt den Trend der Selbstdiagnose übers Internet. Allgemeinärztin Yvonne Gilli vom FMH-Zentralvorstand sagt: «Laien stossen im Internet oftmals auf das Schlimmstmögliche. Es kommt auf den Bildungsstand und die Erfahrung an, wie jemand solche Informationen wertet.»

Gilli mahnt zur Vorsicht bei der Recherche im Internet: «Man weiss ja auch nicht, wer hinter diesen Informationen steckt. Sind es Ärzte? Laien? Verschwörungstheoretiker? Oder gar Firmen, die ein Medikament anbieten wollen? Geht man jedoch physisch zum Arzt, kann man unnötigen Stress und Angst vermeiden.»

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