Koscheres Brot gegen Antisemitismus
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Bäckerei als Schmelztiegel:Koscheres Brot gegen Antisemitismus

Bäckerei will Berührungsängste wegbacken
Koscheres Brot gegen Antisemitismus

Juden in der Schweiz werden im Alltag häufig angefeindet. Eine Bäckerei in Zürich will dem entgegenwirken. Mit ganz einfachen Mitteln.
Publiziert: 18.07.2020 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2020 um 09:31 Uhr
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In Zürich-Wiedikon befindet sich die einzige hundertprozentig koschere Bäckerei der Schweiz.
Foto: Nathalie Taiana
Valentin Rubin

«Er is’ eyner der Bestn!», sagt ein älterer Herr jüdischen Glaubens in seinem eigentüm­lichen Deutsch, als er den Laden verlässt. Gerade hat der Senior in Zürich-Wie­dikon etwas Kleingebäck gekauft.

Von aussen wirkt die Ma’adan Bakery unscheinbar, pausenlos rauscht der Verkehr vorbei, Kunden kommen und gehen. Eines aber macht die Bäckerei einzigartig: Sie ist 100 Prozent koscher – als einzige in der Schweiz.

Für die jüdische Gemeinschaft in Zürich – sie zählt gut 6000 Mitglieder – ist dies ein wichtiger Ort. Speziell um die Mittagszeit geht es geschäftig zu und her. Der Inhaber, Danny Schächter (64), kennt viele seiner Kunden persönlich.

Doch es geht ihm nicht nur um die jüdische Kundschaft. Schächters Ziel ist es, eine Bäckerei für alle zu sein. Bis zu 50 Prozent nicht jüdische Käufer will ­ er langfristig bedienen ­können. Einerseits möchte er so – mit mehr Kundschaft – die Existenz der Bäckerei sicherstellen.

Andererseits versteht sich Schächter als Brücken­bauer. Er will Berührungsängste zwischen den Reli­gionen und Kulturen abbauen. «Viele nicht jüdische Kunden kommen zu uns, weil es für sie eine interessante Erfahrung ist. Sie können hier in eine andere Kultur blicken und werden sehen, dass wir ­Juden gar nicht so anders sind, als ­viele meinen.»

Nichtjuden freuen sich über Hummus

Er habe sogar eine Stammkundschaft anderer Kulturen, die sich stets sehr über die speziellen Produkte freue: Hummus, israelische Teigröllchen oder spezielle Zöpfe, die Juden freitags zum Schabbat essen.

Vor fünf Jahren hat Schächter die Bäckerei ­gemeinsam mit seinem «Compagnon» eröffnet, wie er den Mitinhaber Naftali Beck stets nennt. Ihr An­liegen, gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Jüdinnen und Juden abzubauen, könnte aktueller nicht sein.

Erst Anfang Juli ver­öffentlichte die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gemeinsam mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA eine umfassende Studie zum Antisemitismus in der Schweiz.

Die Ergebnisse sind ernüchternd: Mehr als die Hälfte der Befragten – allesamt Jüdinnen und Juden in der Schweiz – halten den Antisemitismus für ein gesellschaftliches Problem. Und fast drei Viertel ver­muten aufgrund ihrer Erfahrungen, dass antisemitische ­Vorfälle in den letzten fünf Jahren zugenommen haben.

Dabei sind keine klar ­definierten Aggressoren auszumachen. Die Autoren der Studie kommen zum Schluss: Antisemitismus kommt vor allem aus der breiten Bevölkerung, aus der Mitte der Gesellschaft. Studienleiter Dirk Baier (44), Professor an der ZHAW, hat diese Erkenntnis überrascht: «Ich hätte erwartet, dass es klarer ­definierbare Gruppen gibt. In Deutschland etwa sieht man, dass häufig rechts­radikale oder muslimische Gruppierungen antisemitisch sind.»

In der Schweiz hingegen trete Antisemitismus vor ­allem bei der Arbeit, in der Schule oder etwa bei der Wohnungssuche auf.

Sie meiden Veranstaltungen

Für Danny Schächter ist das weniger überraschend. Der 64-jährige Zürcher, selbst Mitglied des Stiftungsrats der GRA, hat selbst schon Antisemitismus erlebt. «Zum Glück aber nur in sehr reduziertem Umfang», sagt er. ­Viele seiner Freunde und Bekannten hätten aber immer wieder mit offenen Anfeindungen zu kämpfen. Manche Juden in der Schweiz – auch das geht aus der Studie der ZHAW hervor – meiden Veranstaltungen, weil sie sich auf dem Weg dorthin nicht ­sicher fühlen und sich ­davor fürchten, körperlich angegriffen zu werden. Von einer akuten Bedrohung will Schächter nicht sprechen. Dennoch hält er fest: «Es beeinflusst das Leben der Schweizer Jüdinnen und Juden erheblich.»

In der Bäckerei merkt man davon wenig. Man trifft auf Mädchen aus der jüdischen Schule um die Ecke, auf ­Polizistinnen, die im Quartier Streife fahren und sich hier ihr Mittag­essen holen. Aber auch auf ­Hipster und Ernährungs­bewusste, die etwa auf ­laktosefreie Produkte angewiesen sind.

Schmecken tut es allen – wie in manchen anderen Bäckereien auch. Schächter freut sich darüber: «Diese Vielfalt macht uns schon ein wenig stolz.»

Soziologe Dirk Baier sieht in der Ma’adan-Bäckerei ein perfektes Beispiel, wie antisemitische Vor­urteile in der Schweiz im Alltag reduziert werden können. «Genau solche Ini­tiativen helfen, die Gräben zu schliessen.» Das allein könne den Antisemitismus in der Schweiz zwar nicht überwinden.

Aber: «Die Bäckerei ist ein Schmelztiegel, in dem ein gesundes Miteinander gelebt wird.» Es braucht manchmal nicht viel, um gegenseitiges Verständnis zu fördern. Das tägliche Brot mit dem Gegenüber zu teilen, genügt bereits.

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