Das Lied war Hit und Werbespot zugleich: «Alles fährt Ski, alles fährt Ski, Ski fährt die ganze Nation», sang Schlagerstar Vico Torriani 1963. Und traf damit mitten ins Herz der Schweizer Volksseele.
Heute, 55 Jahre später, ist die Botschaft mehr Wunschdenken denn Realität. Der Wintertourismus steckt in der Krise – und könnte schon bald ganz verschwinden.
Zu diesem Schluss kommt eine Analyse von Avenir Suisse. Im Auftrag von Schweiz Tourismus hat die Denkfabrik einen Blick in die Zukunft gewagt. Wie entwickelt sich der Wintersport über die nächsten 20 bis 30 Jahre? Fazit: Es könnte sich eine tödliche Spirale in Gang setzen, an deren Ende der Wintertourismus in den Schweizer Bergen in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.
In Bedrängnis wegen Klimawandel
Zunächst ortet Avenir Suisse mehrere historische Herausforderungen. Die gewichtigste: der Klimawandel. Die Winter werden wärmer und trockener, die Schneesaison kürzer.
Auch wenn wir noch immer schneereiche Winter erleben, ist der langfristige Trend klar: Die Zahl der Tage, an denen Schnee liegt, nimmt massiv ab, die Schneefallgrenze steigt. Im Vergleich zu 1970 etwa fängt die Schneesaison heute schon zwölf Tage später an, 25 Tage früher hört sie auf. Diese Entwicklung dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten nochmals deutlich intensivieren.
Weitere entscheidende Faktoren sind laut Avenir Suisse die Digitalisierung, welche die Preise in den Keller treibe oder die Überalterung der Gesellschaft, die den Kunden-Pool für den Bergsport massiv reduziere.
Die Gäste bleiben weg
Basierend auf diesen Langfristtrends, entwirft Avenir Suisse fünf konkrete Zukunftsperspektiven. Szenario eins: der schleichende Niedergang. Demnach erodiert die Tourismus-Infrastruktur bis in 20 bis 30 Jahren fast vollständig. Weite Teile des Berggebiets veröden, der klassische Wintersport stirbt.
Szenario zwei: der Nachfragekollaps. Aufgrund von «exogenen Schocks», etwa mehreren schneearmen Wintern in Folge, bleiben die Gäste weg.
Nicht ganz so dramatisch für die Tourismusbranche, aber ebenfalls besorgniserregend ist Szenario drei: Einige wenige Topdestinationen überleben, allerdings nur die hochgelegenen am Fusse der wenigen Viertausender – Skifahren wäre praktisch nur noch an ein paar Orten im Wallis möglich.
Immerhin, die zwei letzten Szenarien tönen etwas positiver. Demnach könnte es im besten Fall zu einem Comeback des Bergtourismus kommen. Voraussetzung dafür: Die verschiedenen Akteure «erwachen aus ihrer Lethargie», und der Branche gelingt es, sich radikal neu zu erfinden.
Bloss «Denkübungen»
Vom SonntagsBlick auf die düsteren Prognosen angesprochen, will sich der Autor Daniel Müller-Jentsch von Avenir Suisse nicht festlegen. Er spricht von blossen «Denkübungen» in alle Richtungen. Er sagt aber auch: «Wir sollten uns auf Negativ-Szenarien vorbereiten.»
Und er macht einen Vergleich mit der Banken-Branche: Auch in den Bergen gebe es systemrelevante Akteure auf regionaler Ebene, grosse Seilbahnen oder Resorts. Gehen diese pleite, werden andere Angebote mit in die Tiefe gerissen.
Nicht von Denkübungen, sondern von Realität spricht hingegen Jürg Stettler. Er leitet das Institut für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern und hat die Szenarien für den SonntagsBlick analysiert. Sein Fazit: «Die negativen Faktoren überwiegen ganz klar.»
Am plausibelsten erscheint ihm eine fast unausweichliche Todesspirale aufgrund der Klimaerwärmung. Die Folge: «Skifahren verschwindet als Breitensport und wird zum Premiumprodukt für wenige.»
Stettler sagt auch: «Der Niedergang hat ja längst eingesetzt.» Tatsächlich ist der Trend der letzten Jahrzehnte besorgniserregend. Nicht nur der Schnee bleibt zunehmend weg, auch die Zahl der Übernachtungen in den Bergen bricht ein. Im Vergleich zu 2007/2008 registrierten die Schweizer Bergdestinationen in der letzten Wintersaison
1,3 Millionen Logiernächte weniger. Ein Rückgang von rund 15 Prozent.
Kommt hinzu: Die kommenden Generationen verlieren das Interesse am Wintersport. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Universität St. Gallen hat Skifahren als Breitensport bei Jahrgängen ab 2000 kaum noch eine Bedeutung.
Es braucht ein Umdenken
Stellt sich die Frage: Was tun? In einem sind sich alle einig: Massnahmen sind nötig. Dringend. Wie diese aussehen, da gehen die Meinungen auseinander.
Daniel Müller-Jentsch von Avenir Suisse empfiehlt sogenannte «Hybrid-Angebote»: «Wir sollten den alpinen Tourismus weiterdenken und Paketaktionen aus Städtereisen und Bergtourismus anbieten.»
André Aschwanden von Schweiz Tourismus sagt, man entwickle schon seit längerem neue Angebote, etwa im Bereich Wandern oder Mountainbike. Deren Ziel: den Herbsttourismus in den Bergen zu verlängern. Zudem sei es wichtig, in die Modernisierung der Wintersportanlagen in hohen Lagen zu investieren.
Letzteres, also reine Erhaltungsmassnahmen, findet der Tourismus-Experte Jürg Stettler wenig zielführend. «Wir sollten umdenken und neue, zukunftsgerichtete Formen des Bergtourismus fördern.» Heisst konkret: Auf den Sommer umsatteln und die Kunden vermehrt in den heissen Monaten in die Berge locken.
Heisst auch: Eine schleichende Abkehr vom Wintertourismus.
Begonnen hatte die 24. Uno-Klimakonferenz vor zwei Wochen. Ihr Abschluss war für Freitag geplant – doch noch am späten Samstagabend rangen die 196 Länder im polnischen Kattowitz um eine gemeinsame Erklärung. Kurz vor Redaktionsschluss dann die Meldung: Die Weltklimakonferenz einigt sich auf ein Umsetzungsabkommen für den Pariser Klimavertrag. 2015 hatten die Uno-Mitgliedsländer in Paris vereinbart, dass die weltweite Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts nicht höher als zwei Grad ausfallen dürfe. Bei der Konferenz in Kattowitz sollten nun Regeln verabschiedet werden, wie diese Klimaziele konkret erreicht werden könnten. Insgesamt wurden gestern 20 solche Richtlinien verabschiedet. Keine Einigung dagegen gab es bei dem für die Schweiz wichtigen Thema Emissionshandel – unser Land will CO2 weiterhin auch durch Investitionen im Ausland senken. Diese und weitere Fragen wurden auf die nächste Klimakonferenz in einem Jahr vertagt.
Begonnen hatte die 24. Uno-Klimakonferenz vor zwei Wochen. Ihr Abschluss war für Freitag geplant – doch noch am späten Samstagabend rangen die 196 Länder im polnischen Kattowitz um eine gemeinsame Erklärung. Kurz vor Redaktionsschluss dann die Meldung: Die Weltklimakonferenz einigt sich auf ein Umsetzungsabkommen für den Pariser Klimavertrag. 2015 hatten die Uno-Mitgliedsländer in Paris vereinbart, dass die weltweite Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts nicht höher als zwei Grad ausfallen dürfe. Bei der Konferenz in Kattowitz sollten nun Regeln verabschiedet werden, wie diese Klimaziele konkret erreicht werden könnten. Insgesamt wurden gestern 20 solche Richtlinien verabschiedet. Keine Einigung dagegen gab es bei dem für die Schweiz wichtigen Thema Emissionshandel – unser Land will CO2 weiterhin auch durch Investitionen im Ausland senken. Diese und weitere Fragen wurden auf die nächste Klimakonferenz in einem Jahr vertagt.
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