So wird die Corona-Pandemie schliesslich enden
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Virologen im BLICK-Check:Warner, Propheten, Panikmacher

Auf welche Wissenschaftler in der Corona-Krise Verlass war, auf welche nicht
Warner, Propheten, Panikmacher

Die Corona-Krise machte zuvor völlig unbekannte Wissenschafter zu Stars und Propheten. Ihre Prognosen bestimmten Politik und öffentliche Meinung. Doch wie gut sagten sie den Verlauf der Pandemie tatsächlich voraus?
Publiziert: 09.06.2020 um 23:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2020 um 09:44 Uhr
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Der Zürcher Professor Adriano Aguzzi warnt Mitte März in einem Video vor Corona. Später forderte er eine Ausgangssperre.
Guido Schätti

Die erste Runde im Virologen-Streit ist entschieden. Die beiden Jungstars Christian Althaus (41) und Marcel Salathé (45) haben Mr. Corona Daniel Koch (65) den Meister gezeigt. Nein, er habe zu Jahresbeginn keine Warnungen von Althaus über die Gefährlichkeit des Coronavirus erhalten, behauptete Koch in der «NZZ am Sonntag». Woraufhin das Althaus-Lager genau einen solchen Brief ins Internet stellte. Koch stand da wie ein Pudel nach einem Sprung in die Aare.

Nach dem Notstand werden die Medaillen verteilt. Wer heute behaupten kann, er habe die Gefahren am besten erkannt, hat gewonnen. Es geht nicht nur um Ruhm und Ehre, sondern um Forschungsgelder und Mandate. Koch ist zwar pensioniert, steht als Buchautor und Gründer einer Agentur für Krisenkommunikation aber bereits wieder in den Startlöchern.

Die Krise machte Virologen zu Stars und Propheten. Neben Althaus und Salathé gehörten der Basler Biophysiker Richard Neher (40), der Zürcher Prionenforscher Adriano Aguzzi (60) und der St. Galler Epidemiologie Pietro Vernazza (63) zu den prominentesten Stimmen in der Schweiz.

Ihre Einschätzungen beeinflussten Politik und öffentliche Meinung. Wie gut nahmen sie vorweg, was eintraf? BLICK macht den Virologen-Check.

Modelle überschätzten lange die Gefahr

Althaus war der Erste, der eine Zahl ins Spiel brachte: 30'000 Menschenleben. Die Frage von zwei «NZZ»-Journalisten, ob Corona in der Schweiz im schlimmsten Fall so viele Opfer kosten könnte, bejahte er am 26. Februar. Aus heutiger Sicht überrissen, damals vertretbar. Ohne Massnahmen wäre die Schweiz mit Sicherheit in eine Katastrophe geschlittert.

Am 23. März publizierte Althaus erstmals eine Modellrechnung. Die Infektions- und Todesfallzahlen schossen durch die Decke. Nur in den günstigsten Fällen schien eine Eindämmung ohne Massensterben möglich.

Ebenfalls Kurven publizierte der Basler Biophysiker Neher. In der «Tagesschau» vom 29. März stellte er drei Szenarien vor. Das wahrscheinlichste rechnete mit 640'000 Erkrankungen und 22'000 Toten. Immerhin: Das optimistische Szenario kam auf nur 1000 Tote.

Begann es schon viel früher?

Das Coronavirus wütete möglicherweise schon im Sommer 2019. Der Harvard-Epidemiologe John Brownstein hat im August in der Region Wuhan einen deutlichen Anstieg der Internetsuchen nach «Husten» und «Durchfall» festgestellt. Beides sind Symptome der Corona-Erkrankung. Auch beobachtete er dank Satellitenbildern, dass gleichzeitig der Autoverkehr bei Spitälern gegenüber der ­Vorjahresperiode um bis zu 90 Prozent zunahm. Suchten da schon mehr Patienten wegen ­Covid-19 einen Arzt auf? Brownstein räumt ein, dass dies keine Beweise aber immerhin Indizien für ein früheres Auftreten des Virus seien.

Guido Felder

Das Coronavirus wütete möglicherweise schon im Sommer 2019. Der Harvard-Epidemiologe John Brownstein hat im August in der Region Wuhan einen deutlichen Anstieg der Internetsuchen nach «Husten» und «Durchfall» festgestellt. Beides sind Symptome der Corona-Erkrankung. Auch beobachtete er dank Satellitenbildern, dass gleichzeitig der Autoverkehr bei Spitälern gegenüber der ­Vorjahresperiode um bis zu 90 Prozent zunahm. Suchten da schon mehr Patienten wegen ­Covid-19 einen Arzt auf? Brownstein räumt ein, dass dies keine Beweise aber immerhin Indizien für ein früheres Auftreten des Virus seien.

Guido Felder

Heute lässt sich sagen: Die meisten Annahmen damals waren zu pessimistisch. Sie überschätzten das Tempo der Epidemie, und sie unterschätzten, wie effektiv der Lockdown war.

Man habe schlicht nicht gewusst, wie gut welche Massnahmen wirken würden, sagt Neher heute. Er und Althaus fütterten ihre Modelle ständig mit neuen Daten und machten sie immer präziser. Am 9. April prognostizierte Althaus, dass der Höhepunkt der Epidemie erreicht und die Zahlen fallen würden. Ein Volltreffer.

BAG hörte erst spät auf Wissenschaft

Salathé profilierte sich vor allem mit Kritik an Bundesrat und BAG. Sein Vertrauen in die Politik sei erschüttert, schrieb er nach der Ausrufung des Lockdowns. In der «NZZ am Sonntag» verglich er die Schweizer Verhältnisse zuletzt mit Nordkorea und suggerierte, der Lockdown hätte sich verhindern lassen können. Mittlerweile nahm er das zurück.

Dennoch traf Salathé einen wunden Punkt. Das BAG blockte externe Stimmen lange ab und war technologisch von gestern. Die Taskforce mit 25 Wissenschaftern wurde erst Ende März eingesetzt. «Wir mussten uns richtiggehend aufdrängen», sagte deren Chef, der Berner Epidemiologe Matthias Egger, im «Tages-Anzeiger-Magazin».

Nicht mal der Lockdown war ihm genug

In der Krise werden Karrieren gemacht und geknickt. Die einen steigen auf, die andern ab. Der Zürcher Prionenforscher Adriano Aguzzi erlebte beides. In einem Video Mitte März bekniete er die Bevölkerung, zu Hause zu bleiben. Sein Engagement trug ihm Respekt und Wohlwollen ein.

Aguzzi war in seinem Element. Er schrieb Briefe an Wirtschaftsführer, forderte die Umwandlung von Hotels in Quarantäne-Stationen. Der Lockdown war ihm nicht genug. Bis im Juli würden 60'000 Menschen in der Schweiz sterben, wenn nicht eine Ausgangssperre verhängt würde, verkündete er.

Tatsächlich sind bis heute 1663 Menschen in der Schweiz gestorben. Der rasche Rückgang der Zahlen enttarnte Aguzzis Aussagen als Fantastereien.

Er selbst sieht sich als Opfer von Verleumdungen, gleichzeitig glaubt er, dass die Massnahmen nicht zuletzt dank ihm so gut wirkten: «Ich bin überzeugt, dass mein Video Menschenleben gerettet hat, weil es von 300'000 Leuten angeschaut wurde und sich die Leute tatsächlich an den Lockdown gehalten haben.»

Keine Panik, dafür Forderung nach Lockerung

Der Anti-Aguzzi war der St. Galler Chefarzt Pietro Vernazza (63). Es gebe keinen Grund, dass die Schweiz vom Coronavirus verschont bleibe, sagte er schon am 24. Februar im BLICK. Deshalb verbreitete er aber weder Horrorszenarien, noch verfiel er in Panik, sondern empfahl Händewaschen und Abstandhalten. Schon Mitte April forderte er weitergehende Lockerungen und die Öffnung der Schulen. Aus heutiger Sicht wäre das verantwortbar gewesen.

Vernazza war der Einzige, der die Kosten des Lockdowns kritisierte. Als Spitalarzt hat er schliesslich ein Budget zu verantworten.

Hier liegt der Unterschied zu den Shootingstars Althaus, Salathé und Neher. Diese sind Biologen, Informatiker und Physiker, verstehen sich auf Zahlen, Funktionen und Viren, reale Menschen gehören aber nicht zu ihrem Fachgebiet. Wie diese reagieren, konnten ihre Modelle erst spät nachvollziehen.

Die jüngste Prognose der ETH Zürich rechnet in der zweiten Welle mit 5000 Toten. Sie stammt von Dirk Mohr, einem Professor für Maschinenbau.

App läuft wohl ab 19. Juni

Viel wurde schon gestritten über die Swiss-Covid-App, mit der ­gewarnt wird, wer in Kontakt mit einem Corona-Infizierten war. Das Parlament hat auf eine Gesetzesgrundlage bestanden, die nun im Wesentlichen ­bereitsteht. Einige Anpassun­gen haben die Räte noch vor­- ge­nommen, etwa Gratis-Tests, falls man eine Warnung durch die App erhält. Und: Wenn die App nicht hält, was sie verspricht, soll sie abgeschafft werden. Sobald das Parlament an der Schlussabstimmung vom 19. Juni endgültig grünes Licht gibt, soll auch die Verordnung bereitstehen, wie Sang-Il Kim vom Bundesamt für Gesundheit sagt. «Geplant ist, dass sie noch am gleichen Tag in Kraft tritt», so Kim. In Stein ­gemeisselt ist das Datum nicht. «Möglicherweise wird es auch der nächste Kalendertag.»

Gianna Blum

Viel wurde schon gestritten über die Swiss-Covid-App, mit der ­gewarnt wird, wer in Kontakt mit einem Corona-Infizierten war. Das Parlament hat auf eine Gesetzesgrundlage bestanden, die nun im Wesentlichen ­bereitsteht. Einige Anpassun­gen haben die Räte noch vor­- ge­nommen, etwa Gratis-Tests, falls man eine Warnung durch die App erhält. Und: Wenn die App nicht hält, was sie verspricht, soll sie abgeschafft werden. Sobald das Parlament an der Schlussabstimmung vom 19. Juni endgültig grünes Licht gibt, soll auch die Verordnung bereitstehen, wie Sang-Il Kim vom Bundesamt für Gesundheit sagt. «Geplant ist, dass sie noch am gleichen Tag in Kraft tritt», so Kim. In Stein ­gemeisselt ist das Datum nicht. «Möglicherweise wird es auch der nächste Kalendertag.»

Gianna Blum

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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