300 Jahre lang wurde auf dem Bauernhof von Familie Hofer in Meggen LU geschuftet. Schweine gibts dort seit jeher. Damit soll jetzt Schluss sein. Die Behörden haben entschieden, dass der Saustall abgerissen werden muss. Alles nur, weil ein vor drei Jahren zugezogener Nachbar sich am Geruch stört. Gestützt wird der Entscheid durch die Richtlinie «Mindestabstände von Tierhaltungsanlagen» aus dem Jahr 1995. Jetzt bangt Biobauer Kaspar Hofer (58) um sein Vermächtnis – kein Einzelfall. Dem Schweizer Bauernverband sind Dutzende derartige Fälle bekannt.
100 Kühe, 40 Schweine und 65 Hektar Land: Biobauer und Ex-Mister-Schweiz Renzo Blumenthal (42) betreibt seit neun Jahren einen Bio-Bauernhof im Bündner 450-Seelen-Bergdorf Vella. Wegen seiner Schweine hatte auch er schon mächtig Stunk. «Wir Bauern sind am Schluss immer die Leidtragenden, die dann die Koffer packen müssen und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Das ist eine Sauerei, wie wir Bauern vertrieben werden», sagt Blumenthal zu BLICK.
Behörden verlangten 25'000 Franken von Bauer Blumenthal
Als er 2009 ein Gesuch zur Umnutzung seines Viehstalls ausserhalb der Bauzone zwecks Schweinemast einreichte, bekam er dies am eigenen Leib zu spüren. 17 Nachbarn legten Einsprache ein – wegen des Gestanks. 2011 erteilten das Amt für Raumentwicklung des Kantons Graubünden und die Gemeinde dem Biobauern dennoch eine Bewilligung – auf fünf Jahre befristet und unter strengen Auflagen. Nach Ablauf der Frist wurde diese nochmals um zwei Jahre verlängert. Die geruchsempfindlichen Nachbarn liessen nicht locker. «Das war alles ein riesiges Theater», sagt Blumenthal. Der Kanton ordnete eine Expertise an.
«Ich musste darüber Buch führen, wann und womit ich meine Schweine fütterte. Die Nachbarn mussten ebenfalls festhalten, wann und unter welchen Umständen sie den Gestank wahrnahmen», sagt der Landwirt. Ein Jahr später forderten die Behörden erneut eine Expertise. Kostenpunkt: 25'000 Franken. Die sollte Blumenthal aus eigener Tasche zahlen. Der Landwirt machte kurzen Prozess. «Ich habe damals meine 30 Schweine genommen und auf eine Wiese ausserhalb von Vella gebracht», sagt er.
Immer mehr Hürden und Auflagen für Schweizer Bauern
Seit zwei Jahren setzt der Bauer auf Bio-Freiland-Schweinehaltung: vier Iglus, eine Futterstation und Wassertröge auf einer Wiese. Den Bestand hat er seither von 30 auf 40 aufgestockt. «Dort leben die Schweine jetzt zufrieden. Und Probleme wegen des Geruchs gibts mit der Nachbarschaft seither auch nicht mehr», so Blumenthal.
Um über Jahre andauernde Streitigkeiten mit Behörden und Nachbarschaft abzuwenden, kommt es vermehrt zu «Aussiedlungen». Dabei ziehen ganze Betriebe vom Dorfkern an den Siedlungsrand.
In der Schweiz ist das Areal der landwirtschaftlichen Bauten innerhalb der Bauzonen seit Anfang der 80er-Jahre um über 30 Prozent geschrumpft. Ausserhalb hingegen gab es einen Zuwachs von 27 Prozent. Für so manche ist die «Aussiedlung» die einzige Chance, ihren Betrieb weiterzuführen. «Die Hürden werden immer grösser und es gibt immer mehr Auflagen. Es ist immer schwieriger, in der Branche zu bestehen», weiss Biobauer Blumenthal. Das zeigen auch die Zahlen des Bundesamts für Statistik.
Auf dem Land leben, heisst mit Landluft klarkommen
72 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz sind in der Nutztierhaltung tätig. Doch gab es 2008 noch 60'894 Betriebe, waren es 2018 nur noch 50'852. In den vergangenen 20 Jahren hat die Schweiz fast ein Drittel ihrer Bauernhöfe verloren. Zonenplanänderungen und damit einhergehende versäumte Einsprachen haben ihren Teil dazu beigetragen.
«Eine Einsprache ist nur dann möglich, wenn die Einzonung stattfindet. Später ist man auf verlorenem Posten», sagt Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands, zu BLICK. Für ihn ist klar: «Wer auf dem Land leben will, muss auch mit der Landluft klarkommen.»
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