Darum sind die Business-Apartments bei Prostituierten beliebt
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Weder Vermieter noch Rezeption:Darum sind die Business-Apartments bei Prostituierten beliebt

Auch das horizontale Gewerbe entdeckt die möblierten Apartments
Anja Graf kämpft wie eine Löwin gegen Pop-up-Puffs

Pop-up-Puffs sind im Trend – kleine Sex-Salons, die schon nach wenigen Wochen wieder verschwunden sind. Stark betroffen sind auch möblierte Apartmentwohnungen, wie VisionApartments-CEO Anja Graf beklagt.
Publiziert: 02.02.2023 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2023 um 14:40 Uhr
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Sexarbeiterinnen werben im Internet um Kunden – und empfangen sie in möblierten Apartmentblöcken.
Foto: Screenshot
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Michael SahliReporter News

Die Nachbarn von Sofia* (28) ahnen vielleicht, was sich hinter verschlossener Tür im dritten Stock des Basler Apartmentgebäudes abspielt. Die Polin mietet hier erst seit einigen Tagen ein möbliertes Zimmer – und bald wird sie wieder verschwunden sein. Bis es aber so weit ist, geben sich viele Männer die Türklinke in die Hand. Denn Sofia verkauft Sex. Sie gehört zur wachsenden Zahl von Prostituierten, die ihre Dienste in einem temporären Mini-Puff, im konkreten Fall in einem möblierten Apartment, anbieten.

Die Wohnungsnot treibt immer mehr Städter in die Temporär-Apartments, wie Blick diese Woche berichtete. Mangelnder Wohnraum ist mit ein Grund, warum auch Prostituierte wie Sofia auf die möblierten Zimmer ausweichen – aber nicht der einzige. «Für uns Frauen ist das die perfekte Lösung», sagt die 28-Jährige zu Blick.

Ihr Foto will Sofia nicht in der Zeitung sehen, erklärt sie beim Treffen. «Ich habe einen Sohn in Warschau, der bei meiner Mutter lebt. Sie denken, dass ich einen Bürojob habe. Und das soll so bleiben.»

Darum sind Apartmentblöcke bei Sexarbeiterinnen beliebt

Mini-Puffs auf kurze Zeit, sie werden auch Pop-up-Puffs genannt, verbreiten sich seit einigen Jahren in Privatwohnungen und Airbnbs. Später ist Sofia auf möblierte Business-Apartments, die wochen- oder monatsweise vermietet werden, umgeschwenkt. So wie viele ihrer Kolleginnen auch. Sie wohnt und arbeitet in Zimmern von VisionApartments, es könnte genauso gut ein anderer Anbieter sein.

Diese Form des Mini-Puffs hat jede Menge Vorteile. «Man kann alles online buchen, und es gibt keine Rezeption und keinen Vermieter, der Fragen stellt. Und die Reinigung ist inklusive», erklärt Sofia. In einem Apartmentgebäude, wo ein ständiges Kommen und Gehen herrscht, fallen die Freier auch weniger auf.

Keine Zwangsprostitution in Mini-Puffs?

Die Entwicklung geht seit Jahren weg von Strassenstrich und Grossbordell hin zu Online-Inseraten und kleinen Betrieben, wo eine oder zwei Frauen arbeiten. Politisch wird das in einigen Gemeinden unterstützt: In Basel ist die Wohnungsprostitution legal, wenn eine Prostituierte dort wohnt, wo sie anschafft.

Seit Anfang 2020 können in Zürich permanente Kleinst-Sexsalons in Zonen mit hohem Wohnanteil eine Baubewilligung beantragen. Die Begründung des zuständigen Hochbaudepartements: «In Kleinstsalons sind die Prostituierten besser vor Zwangsprostitution und Ausbeutung geschützt.»

Mini-Puffs haben aber auch Schattenseiten: Es ist schwierig, den Überblick zu behalten, wo sie sich befinden. Und in Privatwohnungen kann es Konflikte mit den Nachbarn und Vermietern geben. Wie im Fall «Huren-Heiko»: Der Deutsche Heiko S.** (51) mietete Dutzende Privatwohnungen an, in denen dann angeschafft wurde, wie Blick 2017 publik machte.

VisionApartments-CEO Anja Graf hat keine Freude

In möblierten Apartments scheint es diese Konflikte weniger zu geben. Zürich, Basel oder Luzern – wer die Telefonnummern auf einschlägigen Inseraten kontaktiert, wird immer wieder in Business-Apartments gelotst. Mehrfach fällt der Name VisionApartments. Sowohl die Zürcher als auch die Basler Polizei bestätigen Puff-Einsätze in den Apartmentblöcken.

VisionApartments-CEO Anja Graf, bekannt auch aus der Fernsehsendung «Die Höhle der Löwen», hat keine Freude an der Entwicklung. «Wenn wir merken, dass solche Dienstleistungen bei uns angeboten werden, gehen wir rigoros dagegen vor», sagt sie zu Blick. Und: «Früher waren es Einzelfälle, heute kommt das leider regelmässig vor.»

Das Unterbinden sei jedoch nicht einfach, auch weil die Apartmentvermietung schnelllebiger, digitaler und somit auch anonymer geworden sei. «Während man sich bei anderen Anbietern noch einen Schlüssel abholen muss, läuft bei uns alles online mit einem Code.»

Umso wichtiger sei es, dass die Angestellten vor Ort die Augen offen halten. «Es kam vor, dass Angestellte unsere Möbel im Hintergrund von Fotos auf einschlägigen Inseraten erkannt haben. Oder sie bemerken, dass alle paar Minuten ein Mann auf ein Zimmer geht.» Auch Reklamationen von anderen Gästen habe es schon gegeben.

Eine Prostituierte wird verjagt, eine andere taucht auf

Für Graf eine unangenehme Situation: «Wir richten uns an Geschäftskunden. Da kommt so etwas gar nicht gut an. Und je nach Wohnzone ist es auch illegal.» Fällt eine Sexarbeiterin auf, sei Fingerspitzengefühl gefragt. «Man kann ja nicht einfach klopfen und fragen, ob es sich um einen Salon handelt.» Die Lösung: Weg von der digitalen Anonymität: «Wenn ein Angestellter im Eingangsbereich die Freier nur schon anspricht und fragt, wohin sie wollen, kehren sie wieder um.»

Dass man als Prostituierte nicht immer willkommen ist, musste auch Sofia aus Basel erfahren. Schon kurz nach ihrer Ankunft in der Stadt kam es zu einer Kontrolle im Apartmenthaus, wie die Basler Polizei auf Anfrage von Blick bestätigt. Sofia und ihr Inserat verschwanden kurz darauf. Dafür wurden wieder unzählige neue Inserate hochgeladen. So wie das von Tanya*, die im Inserat von ihrer «luxuriösen Location» schwärmt. Auf ihrem Foto ist im Hintergrund zu sehen: eine auffällige Marmor-Verkleidung – genau so eine, wie sie bei VisionApartments verwendet wird.

*Namen geändert

**Name bekannt

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