Insgesamt musste das Sicherheitspersonal in den Asylzentren des Bundes in den ersten drei Monaten des Jahres 240 Mal deeskalierend intervenieren, obwohl die Zahl der neu eingereisten Asylsuchenden abgenommen hat. In den drei Quartalen davor schwankte die Zahl zwischen 111 und 122. Der bisherige Maximalwert wurde 2013 mit 186 Interventionen erreicht.
Diese Zahlen gehen aus internen Controllingberichten des Staatssekretariats für Migration (SEM) hervor, über welche die «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» berichteten. SEM-Sprecher Martin Reichlin bestätigte am Sonntag auf Anfrage die Angaben.
70 Prozent der Interventionen können die Sicherheitsdienste mit verbaler Deeskalation bewältigen. Sind Ereignisse mutmasslich strafrechtlich relevant, wird die Polizei beigezogen. Dies geschah laut SEM im ersten Quartal 2016 in 77 Fällen, leicht weniger als im gleichen Quartal des Vorjahres.
Das SEM versucht, den Konflikten mit verschiedenen Mitteln vorzubeugen. «Wir achten etwa auf eine möglichst gute Durchmischung bei den Bewohnern eines Zentrums», sagt Reichlin. Seit Anfang Jahr haben die Behörden zudem das Sicherheitsdispositiv in mehreren Zentren erhöht, etwa in den Empfangszentren Altstätten (SG) und Kreuzlingen (TG).
Nach Einschätzung des SEM sind offene Konflikte häufiger, wenn die Asylsuchenden länger in den Unterkünften des Bundes bleiben. Dadurch nehme die gegenseitige Rücksichtnahme mit der Zeit ab, erklärte SEM-Sprecher Reichlin weiter.
Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe ist das Phänomen direkt mit der tieferen Zahl neu ankommender Asylsuchender verknüpft. Anders als 2015 sei es nicht nötig gewesen, die Asylsuchenden rasch von den Bundesasylzentren in die Kantone zu verteilen, erklärte Constantin Hruschka, Leiter Protection bei der Flüchtlingshilfe, der sda.
Dadurch blieben Asylsuchende länger in den Bundeszentren, was den psychologischen Druck erhöhe. Hinzu komme, dass einige keine Chance auf Asyl in der Schweiz hätten. Dies betreffe etwa Nordafrikaner, so Hruschka. «Diese beiden Faktoren erzeugen eine enorme Frustration.»
Die Flüchtlingshilfe fordert deshalb, dass der Bund mehr in die Betreuung investiert. Betreuer könnten Konflikte schon vor der Eskalation verhindern, bevor das Sicherheitspersonal eingreifen müsse, erklärte Hruschka. Für die Sicherheit hat das SEM im laufenden Jahr 45 Millionen Franken budgetiert, doppelt so viel wie für die Betreuung.
Mindern sollen das Konfliktpotential auch Beschäftigungsprogramme. Damit werden den Asylsuchenden Aufgaben im Alltag gegeben. In der Rahmenvereinbarung des SEM mit den externen Betreuungsorganisationen ist festgehalten, dass Asylsuchende vier Stunden pro Werktag beschäftigt werden. In der Realität waren es im ersten Quartal 2016 aber lediglich 2,7 Stunden, wie dem jüngsten Controllingbericht zu entnehmen ist.
SEM-Sprecher Reichlin erklärte, der Bund haben in den letzten Jahren viele neue Unterkünfte in Betrieb genommen und müsse die Beschäftigungsprogramme noch aufbauen. Das SEM will nun die Gründe analysieren und prüft Massnahmen. Für die externen Betreuungsorganisationen hat die Nichterfüllung der Vorgabe vorerst keine Konsequenzen.