Armut
Berset: Für die Bekämpfung von Armut gibt es noch viel zu tun

Die Partner des Programms gegen Armut ziehen für die Arbeit in den vergangenen fünf Jahren eine positive Bilanz. Doch gewonnen ist noch nichts, wie Sozialminister Alain Berset an der Armutskonferenz sagte.
Publiziert: 07.09.2018 um 16:05 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 21:07 Uhr
«Es gibt noch viel zu tun», bilanzierte Bundespräsident Alain Berset an der Nationalen Konferenz gegen Armut in Bern.
Foto: KEYSTONE/ANTHONY ANEX

«Es gibt noch enorm viel zu tun», sagte der Bundespräsident in der Eröffnungsrede der Nationalen Konferenz gegen Armut am Freitag in Bern. Armut sei in einem so reichen Land wie der Schweiz nicht akzeptabel. Immerhin habe das Programm gegen Armut, das noch bis Ende Jahr läuft, Schritte in die richtige Richtung möglich gemacht.

Die Beziehungen und die Zusammenarbeit der verschiedenen Partner seien gestärkt worden, sagte Berset. Man habe Kenntnisse vertieft, Informationen ausgetauscht sowie Handlungsfelder und gute Praxisbeispiele definiert. Doch die Ziele seien nur teilweise erreicht worden, hielt Berset fest.

Er nannte zwei Beispiele: Die Online-Plattform mit Informationen für von Armut Betroffene und auch das Monitoring der Armut auf nationaler Ebene seien zwar geplant gewesen, aber nie verwirklicht worden.

Berset rief die Rolle der Sozialversicherungen in Erinnerung. Ohne deren Leistungen wären in der Schweiz vier- bis fünfmal mehr Menschen arm. Der Waadtländer Staatsrat Pierre-Yves Maillard (SP) bedauerte vor den Konferenzteilnehmern, dass in einigen Kantonen der minimale Grundbedarf in Frage gestellt sei.

Das Programm habe nicht zu neuen sozialpolitischen Massnahmen geführt. «Die derzeitigen Massnahmen genügen nicht», stellte Maillard klar. Der Lohn eines Arbeiters reiche nicht mehr, um eine Familie durchzubringen, und die Fixkosten für Versicherungen und Wohnen stiegen schneller als die Löhne.

Aus Sicht von Jürg Brechbühl, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV), hat das Programm es ermöglicht, Armut besser zu verstehen. Für das fünfjährige Programm gegen Armut hatte der Bund neun Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Es endet allerdings im laufenden Jahr.

Für die nächsten fünf Jahre will der Bundesrat die Armutsbekämpfung nicht aus den Augen lassen. Doch er stellt für Massnahmen lediglich noch 2,5 Millionen Franken zur Verfügung, wie er im April entschied. Die Konferenz in Bern legte nun fest, woran gearbeitet werden soll.

Grundlage ist das Umsetzungskonzept Nationale Plattform gegen Armut 2019 bis 2024. Kantone und Kommunen sollen - auf Basis des auslaufenden Programms - ihre Massnahmen überprüfen und weiterentwickeln, unter anderem im Rahmen der Sozialhilfe.

Der Bund gibt sich die Rolle des Unterstützers - er will bestehende Plattformen für den Wissensaustausch zur Verfügung stellen und Grundlagen zu ausgewählten Themen erarbeiten. Die Schwerpunkte hielten die Konferenzteilnehmer in einer Erklärung fest. Diese sollen gestaffelt umgesetzt werden.

Ein Schwerpunkt ist die Unterstützung von Jugendlichen, die beim Wechsel von der Schule in die Berufslehre respektive in den Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben. Ebenso sollen Erwachsene, die wegen fehlender Qualifikation Mühe haben, eine Arbeit zu finden, bei der Weiterbildung unterstützt werden.

Ein dritter Schwerpunkt wird bei der Unterstützung von benachteiligten Familien gesetzt. Schliesslich sollen - der vierte Schwerpunkt - Arme vermehrt in die Prävention einbezogen werden. Mittel dazu ist ein besserer Zugang zu Beratungen und Informationen für sie.

Caritas Schweiz kritisierte den Entscheid, das Programm zu reduzieren. Der Bund könne sich nicht einfach aus der Armutspolitik verabschieden und die Verantwortung den Kantonen zuschieben.

Die IG Grundkompetenzen schrieb, arme Menschen ausserhalb der Regelstrukturen hätten viele Hürden zu überwinden, um an Bildungsangeboten teilnehmen zu können. Working Poor würden von ihren Arbeitgebern kaum gefördert und verfügten nicht über die Geldmittel, um Weiterbildungen privat zu finanzieren.

Die IG verwies auf die Anfang Jahr lancierte Weiterbildungsoffensive der Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und des Verbandes für Weiterbildung (SVEB). Dank Weiterbildung sollen Sozialhilfebezüger zurück in den Arbeitsmarkt finden.

7,5 Prozent oder 615'000 der in der Schweiz lebenden Menschen galten laut Bundesamt für Statistik (BFS) 2016 als arm. In jenem Jahr betrug die Armutsgrenze durchschnittlich 2247 Franken pro Monat für eine Einzelperson und 3981 Franken pro Monat für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren.

Laut BFS hat ein grosser Teil der Betroffenen nach einem Jahr wieder ein Einkommen über der Armutsgrenze erzielt. Lediglich 1 Prozent der Bevölkerung gelten als dauerhaft arm.

www.gegenarmut.ch

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