Arbeitsmarkt
Inländervorrang soll laut Sozialpartnern den Älteren bei Jobsuche helfen

Über 50-Jährige sollen bei der Suche nach Arbeit und bei der Anstellung nicht diskriminiert werden. Bund, Kantone und Sozialpartner setzen dafür auf lebenslange Weiterbildung und auf die Stellenmeldepflicht, die mit der Umsetzung der Zuwanderungsinitiative kommt.
Publiziert: 25.04.2017 um 17:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:10 Uhr
Eine nationale Konferenz diskutiert am Dienstag in Bern über Anliegen von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. (Symbolbild)
Foto: Keystone/GAETAN BALLY

Vertreter von Sozialpartnern, Bund und Kantonen haben am Dienstag in Bern die Situation von älteren Menschen im Arbeitsmarkt diskutiert. Den Rahmen dazu gab die dritte Nationale Konferenz zum Thema ältere Arbeitnehmende. Bei der Vorbereitung wurden Organisationen angehört, die ältere Arbeitnehmer und Arbeitslose vertreten.

Im Zentrum der Schlusserklärung stand die Stellenmeldepflicht für bestimmte Branchen, die das Parlament zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative der SVP beschlossen hat. Eine Vernehmlassung solle noch dieses Jahr stattfinden, sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Ab 2018 solle die Meldepflicht gelten.

Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften wünschen sich wirksame Bestimmungen. «Für die älteren Arbeitsuchenden ist die Umsetzung entscheidend», sagte Gewerkschaftsbund-Präsident und SP-Ständerat Paul Rechsteiner. Der Inländervorrang und in der Altersvorsorge 2020 enthaltene Flexibilisierungen bei den Pensionskassenguthaben sind in seinen Worten «zählbare Resultate» der bisherigen Konferenzen.

Die Arbeitgeberseite dagegen setzt auf «offene und ehrliche Standortbestimmungen» mit älteren Mitarbeitern, wie Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbandes, sagte. Bei der Weiterbildung brauche es Engagement von beiden Seiten, also der Unternehmen und auch der Angestellten selbst.

Doch die Differenzen bleiben: Vogt sprach von einem «subjektiven Gefühl der Benachteiligung» und warnte vor neuen bürokratischen Hindernissen. Arbeitgeber müssten Vorurteile gegenüber Älteren abbauen. Rechsteiner sprach von «objektiver Realität». Das Klima im Arbeitsmarkt habe sich zum Nachteil der Älteren verändert.

Der Gewerkschaftsbund pocht deshalb auf einen Kündigungsschutz für ältere und langjährige Arbeitnehmer. Das Bundesgericht habe anerkannt, dass die Arbeitgeber gegenüber diesen Angestellten eine Fürsorgepflicht hätten, erinnerte Rechsteiner. Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse, ergänzte, dass Ältere bei der Jobsuche immer häufiger gegenüber Ausländern im Nachteil seien.

Gewerbeverbandspräsident und SVP-Nationalrat Jean-François Rime wiederum konstatierte, dass ein liberalisierter Arbeitsmarkt den Älteren mehr helfe als kontraproduktive Regeln. Sein Verband wünscht sich, dass Personalvermittler eine aktivere Rolle einnehmen, indem sie Anstellungen auf Probe ermöglichen.

Der Verband Avenir50plus kritisierte in einer Mitteilung die Ergebnisse der Konferenz aufs heftigste. Die Politik der Appelle sei auch bei der dritten Jahreskonferenz fortgesetzt worden. Einmal mehr hätten die Akteure damit die Chance vergeben, endlich eine Trendwende einzuläuten.

Statt sich der Lage zu stellen, würden der Bundesrat und die Sozialpartner die Zahlen der älteren Erwerbslosen weiterhin schönreden. Die Diskriminierung, der sich Ältere bei der Jobsuche täglich auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sehen, könne nur mit einem gesetzlichen Diskriminierungsschutz gestoppt werden, meint Avenir50plus.

Bei den über 50-Jährigen ist die Arbeitslosenquote zwar konstant tiefer als bei den Jüngeren. Doch für die Älteren ist es deutlich schwieriger, eine neue Arbeit zu finden.

Rund ein Viertel der 55- bis 64-Jährigen, die 2016 keiner Erwerbsarbeit nachgingen, taten dies gemäss Zahlen des Bundes wegen Invalidität oder einer Krankheit. Fast die Hälfte dieser nicht mehr Erwerbstätigen (46 Prozent) bezogen eine Altersrente.

3 Prozent der Nichterwerbstätigen ab 55 gaben an, im Arbeitsmarkt keine Chance für sich zu sehen. Ein Viertel verzichtete aus persönlichen Gründen auf eine Stelle. Es sind laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) vor allem Frauen, die schon vor dem 55. Geburtstag keiner bezahlten Arbeit nachgegangen waren.

Die Schweiz hatte 2016 4,8 Prozent Arbeitslose - gemäss Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Erfasst werden von der ILO sämtliche Erwerbslosen, ob sie nun Arbeitslosengeld beziehen oder nicht. Die entsprechende Quote der 55- bis 64-Jährigen liegt bei 3,7 Prozent.

Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern arbeiten in der Schweiz indes mehr 55- bis 64-Jährige. Von 1996 bis 2016 stieg die Erwerbstätigenquote dieser Altersgruppe von 63 auf 74 Prozent. Bei Männern nahm die Quote lediglich um einen Prozentpunkt zu, bei den Frauen dagegen um 20 Prozentpunkte.

Laut der Schlusserklärung der Konferenz setzt sich diese Tendenz fort, aus demografischen Gründen und weil ältere Arbeitnehmer besser qualifiziert sind. Die Teilnehmer verpflichteten sich, in die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der alternden Erwerbsbevölkerung zu investieren und gute Beispiele im Umgang mit älteren Angestellten umzusetzen.

«In der Schlusserklärung ist festgehalten, dass es für Ältere keine Benachteiligungen geben darf», sagte Schneider-Ammann. «Ziel muss sein, dass wir möglichst allen, die etwas älter und erfahrener sind und daran interessiert sind, einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wir wissen, dass das schwierig ist.»

Die nach 2015 und 2016 zum dritten Mal durchgeführte Nationale Konferenz zum Thema «ältere Arbeitnehmer» geht auf eine Forderung von SP-Ständerat und Gewerkschaftsbunds-Präsident Paul Rechsteiner zurück. Sein Postulat war im Herbst 2014 angenommen worden.

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