Herr Huber, wie geht es Ihrer Klientin Angela Magdici?
Urs Huber: Es geht ihr den Umständen entsprechend.
Was heisst das konkret?
Seit der Veröffentlichung eines Fotos von ihr durch die Behörden kennt man jetzt natürlich ihr Gesicht in der Öffentlichkeit. Das ist nicht gerade angenehm.
Was macht sie denn jetzt den ganzen Tag?
Sie wohnt bei ihrem Vater im Kanton Aargau, leidet und traut sich nur aus der Wohnung, wenn es nötig ist. Sie liest viel, macht sich ihre Gedanken und sortiert Anfragen.
Anfragen für Interviews?
Ja, es kamen sicher zwanzig herein. Auch aus dem Ausland. Sogar Angebote, ein Buch zu schreiben, liegen vor.
Nimmt sie ein Angebot an?
Sie weiss noch nicht, ob sie an die Öffentlichkeit will. Sie braucht jetzt vor allem Ruhe.
Verfolgt sie, was nun mit Hassan Kiko in italienischer Haft passiert?
Ja. Sie vermisst ihn. Und hofft, dass sie ihn dann in der Schweiz im Gefängnis besuchen kann.
Sie scherzen?
Nein. Sie liebt ihn immer noch.
Denken Sie, dass sie ihn nach all dem, was passiert ist, tatsächlich im Gefängnis besuchen darf?
Warum nicht?
Sie hat einem verurteilten Vergewaltiger zur Flucht verholfen und könnte erneut rückfällig werden, wieder aus Liebe.
Ich glaube nicht, dass das passiert. Sie weiss, dass das nicht gut war, und wird so etwas auch bestimmt nicht mehr tun.
Wie geht das Verfahren weiter?
Wir warten jetzt ab, bis Herr Kiko wieder in der Schweiz ist. Dann wird er wohl von der Zürcher Staatsanwaltschaft befragt. Und dann muss sicher auch Frau Magdici aussagen.
Wird es eine Konfrontations-Einvernahme mit Hassan Kiko geben?
Ja, das ist durchaus möglich.
Wird Frau Magdici den Sachverhalt vollumfänglich zugeben?
Natürlich. Die Flucht aus dem Gefängnis wurde ja von Überwachungskameras gefilmt. Da gibt es nichts schönzureden.
Was sieht man auf den Bildern der Überwachungskameras?
Nichts Spektakuläres, aber wie die beiden alle Türen öffnen und rausspazieren. Erschreckend einfach, was ja auch bereits Folgen für das Gefängnis hatte.
Sie hat mit ihrer Tat alle guten Wärter der Schweiz in ein schlechtes Licht gerückt.
Ja. Man kann wegen einem Einzelfall aber natürlich nicht alle in denselben Topf werfen.
Frau Magdici wird es schwerhaben, wieder einen Job zu finden.
Das weiss sie. Doch sie ist eine Kämpferin und wird hoffentlich wieder ins Berufsleben zurückfinden. Obwohl das ein sehr steiniger Weg werden wird.
Sie wird vermutlich ja nicht einmal ins Gefängnis gehen müssen.
Da sie nicht vorbestraft ist, die Tat an und für sich bereut und geständig ist, wird sie eine bedingte Strafe bekommen, ja.
Viele Leute verstehen nicht, dass sie frei ist und nicht wenigstens für eine kurze Zeit hinter Gitter muss.
Ich verstehe diesen Ärger. Nur: Jeder hat eine zweite Chance verdient, so ist die Gesetzgebung. Zudem hat sie ja niemanden umgebracht und niemandem geschadet.
Sich selbst aber massiv.
Genau. Und das ist viel schlimmer als jede Gefängnisstrafe.
Wird Angela Magdici auf Hassan Kiko warten, bis er nach Jahren freikommt?
Ja, das will sie. Er ist nach wie vor der Mann ihres Lebens. Dafür wollte und will sie auch in Zukunft alles hergeben.
Auch ihre eigene Zukunft, wie dieser unglaubliche Fall zeigt.
Die Liebe schreibt manchmal eben ihre eigenen Gesetze.