Bei der zweiten Beratung hat sich der Nationalrat am Montag für eine deutliche Erhöhung der anrechenbaren Beträge ausgesprochen. Damit können 86 Prozent der EL-Bezügerinnen und -Bezüger ihre Miete decken. Das ist heute nicht der Fall. Die aktuellen Ansätze gelten seit dem Jahr 2000.
Seither hätten sich die Mieten um 24 Prozent erhöht, rief SP-Nationalrätin Silvia Schenker (BS) in Erinnerung. Es sei Zeit, das Trauerspiel zu beenden, sagte Christian Lohr (CVP/TG). Benjamin Roduit (CVP/VS) bezeichnete Wohnen als Grundbedürfnis, auf das in einer entwickelten Gesellschaft ein Anspruch bestehe.
FDP und SVP wollten beim ursprünglichen Entscheid des Nationalrats bleiben und die Ansätze lediglich in den Städten geringfügig erhöhen. Mit den Beträgen hätte fast ein Viertel der EL-Bezügerinnen und -Bezüger die Miete nicht decken können.
Aufgrund einer Comparis-Suche war der Zuger FDP-Nationalrat Bruno Pezzatti jedoch zum Ergebnis gekommen, dass eine vierköpfige Familie mit den tieferen Ansätzen problemlos eine passende Wohnung finden könne. Es gehe darum, die EL langfristig zu sichern für jene, dies sie «wirklich nötig hätten», sagte Verena Herzog (SVP/TG) dazu.
Sozialminister Alain Berset warnte, dass damit das Existenzminimum nicht gewährleistet sei. Das überzeugte eine knappe Mehrheit. Mit 99 zu 91 Stimmen folgte der Nationalrat dem Ständerat und hiess die höheren Ansätze gut.
Beim Lebensbedarf von Kindern blieb die grosse Kammer hingegen hart. Mit 130 zu 58 Stimmen entschied er, die Ansätze für Kinder bis elf Jahre zu senken. Jene für ältere Kinder bleiben zwar gleich hoch. Den vollen Betrag gibt es aber nur für das erste Kind, für alle weiteren wird der Ansatz schrittweise gekürzt. Das treffe Familien, in welchen ein Elternteil auf IV angewiesen sei, sagte Schenker. Diese materiell noch stärker unter Druck zu setzen, sei eine «Zumutung».
Gemäss einer Untersuchung könnten die heutigen Ansätze falsche Anreize setzen. Es sei stossend, wenn eine Familie mit EL mehr Geld zur Verfügung habe als eine erwerbstätige Familie, sagte Kommissionssprecherin Ruth Humbel (CVP/AG). Im Gegenzug will der Nationalrat bei der EL die Kosten für die familienexterne Kinderbetreuung berücksichtigen.
Viele andere Elemente der EL-Reform bleiben umstritten. So will der Nationalrat keine EL gewähren, wenn jemand über 100'000 Franken Vermögen hat. Der Ständerat lehnt die Vermögensschwelle ab.
Einig sind sich die Räte darüber, dass das Guthaben der obligatorischen beruflichen Vorsorge nach den heutigen Regeln als Kapital bezogen werden kann. Der Nationalrat will den EL-Anspruch aber um 10 Prozent kürzen, falls das Kapital vorzeitig verbraucht worden ist.
Fallengelassen hat die grosse Kammer die Bedingung, dass nur Anspruch auf EL hat, wer zuvor zehn Jahre lang AHV bezahlte. Damit würden die Kosten bloss in die Sozialhilfe und damit zu Kantonen und Gemeinden verlagert, sagte Bea Heim (SP/SO). SVP-Sprecherin Herzog plädierte dafür, «Sozialtourismus» zu verhindern. Es dürfe nicht sein, dass sich ausländische Staatsangehörige kurz vor der Pensionierung ins Schweizer Sozialsystem einschmuggelten, sagte sie.
Nach den Beschlüssen des Nationalrats belaufen sich die EL-Ausgaben im Jahr 2030 voraussichtlich auf gut 6,4 Milliarden Franken. Gemäss den Beschlüssen des Ständerats sind es knapp 200 Millionen Franken mehr. Gegenüber der geltenden Ordnung spart der Nationalrat rund 330 Millionen Franken im Jahr, der Ständerat rund 180 Millionen Franken. Die Vorlage geht nun wieder an den Ständerat.