Alters- und Pflegeheime haben dank den Impfungen Corona bald besiegt
Sie litten am meisten, sie freuen sich als Erste

Im Winter schlug Corona in den Schweizer Alters- und Pflegeheimen erbarmungslos zu. Heute stehen sie deutlich besser da. Auch weil die Bewohner bereits geimpft sind.
Publiziert: 22.04.2021 um 01:32 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2021 um 11:53 Uhr
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Sie war die Erste, die in der Schweiz geimpft wurde. Eine 90-jährige Bewohnerin eines Luzerner Pflegeheims.
Foto: keystone-sda.ch
Fabian Vogt

Niemand litt so sehr unter Corona wie die Heimbewohner. Besonders die zweite Welle rollte erbarmungslos über die Alten hinweg, infizierte und tötete Tausende. Ab Oktober kamen rund 50 Prozent der Corona-Opfer aus einem Alters- und Pflegeheim – vorher erfasste das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Sterbeort nicht separat. In brutalen Zahlen: 3744 von 7839 Corona-Opfern.

Um diese Bilanz zu stoppen, beginnt die Schweizer Impfkampagne denn auch in den Alters- und Pflegeheimen. Am 23. Dezember 2020 erhält eine Luzernerin (90) die allererste Impfung in der Schweiz. Eine Blick-Umfrage in den Kantonen zeigt: Einige waren schon im Februar mit der zweiten Impfung in den Heimen durch – seit Ende März ist jeder Bewohner geimpft, der das wollte. Ausnahmen sind Nachzügler und Neueintritte.

Zahlen lügen nicht

Die Resultate sprechen für sich. Aus den Heimen werden kaum mehr Ansteckungen gemeldet, die Todesfälle gehen stark zurück. 163 Corona-Opfer waren es in den vergangenen zwei Monaten. Zum Vergleich: Anfang Februar hatte die Zahl der Toten noch bei rund 200 gelegen – pro Woche.

Ein weiterer Blick in die BAG-Statistiken zeigt: Bei den über 80-Jährigen, von denen mehr als die Hälfte zweimal geimpft ist, geht die Zahl der Hospitalisierungen seit Wochen stark zurück. Der gleiche Effekt ist bei den über 70-Jährigen zu beobachten, von denen mittlerweile auch rund ein Viertel zweimal geimpft wurde.

Die Kehrseite: Immer mehr Jüngere stecken sich prozentual an, während ältere Personen vermehrt vom Virus verschont bleiben. Und mittlerweile kommt nur noch jeder fünfte Corona-Tote aus einem Altersheim. Was für ein Unterschied im Vergleich zum letzten Jahr!

Grosse Entspannung

«Das war damals eine dramatische Situation», erinnert sich Heim-Direktor Roman Wüst (62). Im November steckten sich in seiner Altersresidenz Am Schärme in Sarnen OW 66 Personen an – innert fünf Tagen starben sechs Senioren. Hinzu kam die Isolation, die den Bewohnern stark zusetzte. «Kein Weihnachtsfest, das ist für eine 90-Jährige wesentlich emotionaler als für eine 60-Jährige. Denn die Chancen, dass es das letzte gewesen sein könnte, sind viel grösser», so Wüst.

Umso glücklicher sei man deshalb gewesen, dass man danach zu den Ersten gehörte, die impfen durften. Mitte Februar waren die Bewohner bereits zweimal geimpft. «Das führte zu einer grossen Entspannung, seither hatten wir nur einen Corona-Fall, den wir rasch in den Griff bekamen», so der Leiter. Vor allem aber freue er sich für seine Bewohner, die wieder ein normales Leben führen könnten.

Gelacht wird auch wieder im Alterszentrum Am Buechberg in Fislisbach AG. Zu viert sitzen Senioren in der geräumigen Cafeteria beisammen, jassen, spielen Schach, essen. Einige haben Verwandtenbesuch. «Das Haus lebt wieder», sagt Geschäftsleiter Thomas Rohrer (56). Vor wenigen Monaten sah das ganz anders aus. Die zweite Corona-Welle erwischte das Heim mit ganzer Kraft – riss 25 Personen in den Tod. Die Bewohner wurden isoliert, es herrschten strengste Schutzmassnahmen, Angestellte arbeiteten über die Belastungsgrenzen hinaus. «Dank der Impfungen hat sich die Situation stark beruhigt», sagt Rohrer. In den letzten Wochen habe man keine einzige Ansteckung gehabt. Auch die Mitarbeiter hätten sich erholt. «Wegen der Todesfälle benötigten weniger Bewohner direkte Pflege und Betreuung. So konnten Überstunden abgebaut oder unbezahlte Ferien bewilligt werden.»

Gottesdienst und Turnen

Eine enorme Veränderung hat auch im Alterszentrum Schwanden in Glarus Süd stattgefunden. Anfang Dezember 2020 wurde ein Bewohner positiv getestet. Ende Jahr waren 60 Bewohner und 50 Mitarbeiter infiziert, zwölf Personen starben. Heute herrsche wieder ein geordneter Heimbetrieb, sagt VR-Präsident Rolf Hanimann (67). Seit dem 8. Februar gab es keinen einzigen positiven Fall. Der Speisesaal wurde geöffnet, Bewohnende sitzen in Gruppen zusammen und müssen ihre Maske nicht mehr tragen. Turnen wird angeboten, auch der Gottesdienst wieder durchgeführt, und die Besuchszeiten sind gelockert – alles nach BAG-Richtlinien.

126'000 Personen leben in einem Heim, das dem Branchenverband Curaviva angeschlossen ist. Markus Leser (62) leitet den Fachbereich «Menschen im Alter». Er sagt, überall sei grosse Erleichterung zu spüren. Die Bewohner könnten sich wieder frei bewegen, und es benötige keine Isolationsmassnahmen mehr. «Das entlastet die Bewohnenden sehr.» Trotzdem gebe es noch offene Fragen. Beispielsweise zur Dauer des Impfschutzes oder den Mutationen. Leser bilanziert: «Corona ist noch lange nicht besiegt, aber die Situation ist wesentlich entspannter als in der ersten und zweiten Welle.»

Die Impfbereitschaft steigt

Diese Erfolge machen Schule. Einzelne Kantone sagen Blick, mittlerweile liessen auch Personen impfen, die in der Vergangenheit keine Lust auf die Spritze hatten.

Doch Corona wird nur besiegt, wenn auch die restliche Schweiz geimpft ist. Laut Bundesrat sollen es bis Ende Juli rund 70 Prozent der Bevölkerung sein. Davon ist man noch sehr weit entfernt. Knapp neun Prozent sind bisher zweimal gepikst worden, jüngere Personen werden teilweise noch Monate warten müssen. An der Motivation der Menschen dürfte es nicht scheitern. Deutlich über 60 Prozent der Schweizer wollen sich derzeit impfen lassen, zeigt eine Umfrage der Universität Zürich. Tendenz steigend.

Darum steigen die Ansteckungen bei den Jungen

Die Jungen sehen plötzlich alt aus. Seit Wochen stecken sich die jüngsten Schweizer (0 bis 20 Jahre) vermehrt mit Corona an – und das liegt nicht nur am Impfeffekt bei den Ältesten.

Christoph Berger, Leiter Infektiologie, Vakzinologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich, beobachtet das Phänomen genau. Er glaubt, dass vor allem zwei Gründe zur Zunahme führen. Einerseits die Briten-Variante B117, die deutlich ansteckender ist als das bisherige Virus und sich immer stärker verbreitet in der Schweiz. Und andererseits eine Änderung in der Teststrategie. Wurden in der ersten und zweiten Welle Kinder erst ab zwölf Jahren getestet, wurde das Alter mittlerweile auf sechs Jahre heruntergesetzt. «Vorher hiess es, Corona sei bei Kindern nur einer von vielen viralen Infekten. Nun schaut man genauer hin», so Infektiologe Berger.

Die gute Nachricht: Eine Zunahme von Hospitalisierungen erkennt der Experte trotz mehr Fällen nicht. «Von rund 60’000 Infizierten in der Altersgruppe 10 bis 19 Jahre wurden bisher ungefähr 150 hospitalisiert, die Gefahr für einen schweren Verlauf bleibt auch jetzt gering.» Trotzdem hofft Berger, dass auch die Jüngsten bald geimpft werden können. Bislang geht man beim Bund davon aus, dass dies bei unter 16-Jährigen frühestens im vierten Quartal 2021 geschehen wird. Es ist darum auch davon auszugehen, dass die Zahlen dieser Altersgruppe noch weiter steigen.

Die Jungen sehen plötzlich alt aus. Seit Wochen stecken sich die jüngsten Schweizer (0 bis 20 Jahre) vermehrt mit Corona an – und das liegt nicht nur am Impfeffekt bei den Ältesten.

Christoph Berger, Leiter Infektiologie, Vakzinologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich, beobachtet das Phänomen genau. Er glaubt, dass vor allem zwei Gründe zur Zunahme führen. Einerseits die Briten-Variante B117, die deutlich ansteckender ist als das bisherige Virus und sich immer stärker verbreitet in der Schweiz. Und andererseits eine Änderung in der Teststrategie. Wurden in der ersten und zweiten Welle Kinder erst ab zwölf Jahren getestet, wurde das Alter mittlerweile auf sechs Jahre heruntergesetzt. «Vorher hiess es, Corona sei bei Kindern nur einer von vielen viralen Infekten. Nun schaut man genauer hin», so Infektiologe Berger.

Die gute Nachricht: Eine Zunahme von Hospitalisierungen erkennt der Experte trotz mehr Fällen nicht. «Von rund 60’000 Infizierten in der Altersgruppe 10 bis 19 Jahre wurden bisher ungefähr 150 hospitalisiert, die Gefahr für einen schweren Verlauf bleibt auch jetzt gering.» Trotzdem hofft Berger, dass auch die Jüngsten bald geimpft werden können. Bislang geht man beim Bund davon aus, dass dies bei unter 16-Jährigen frühestens im vierten Quartal 2021 geschehen wird. Es ist darum auch davon auszugehen, dass die Zahlen dieser Altersgruppe noch weiter steigen.

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