Die Klimaerwärmung rafft einen grossen Teil der Gletscher dahin. Bis zum Ende des Jahrhunderts werden die Alpen-Gletscher unter 3500 Metern Höhe verschwunden sein. Das jedenfalls prognostizieren Klimaforscher.
Um das Eis der wegschmelzenden Gletscher zu konservieren, ist das internationale Projekt «Protecting Ice Memory» aufgegleist worden, an dem auch das Paul Scherrer Institut in Villigen (AG) beteiligt ist.
In den vergangenen Tagen haben Forscher am Mont Blanc Kernbohrungen durchgeführt. Dem Gletscher am Col du Dôme auf rund 4300 Metern Höhe wurden drei je 130 Meter lange Eissäulen entnommen und zerlegt ins Tal geflogen.
Eines der drei vollständigen Gletscherprofile untersuchen die Wissenschaftler in Grenoble, die andern werden in zwei Jahren in die Antarktis transportiert. Hier sollen bald Proben von weltweit rund 20 Gletschern zusammengetragen werden.
Eisschichten der Gletscher sind wahre Klima-Archive, die über die Veränderungen in der Atmosphäre der vergangenen Jahrtausende Auskunft geben. In den Eisschichten lassen sich unter anderem Luftverschmutzung und industrielle Aktivitäten in Europa nachvollziehen. 1986, das Jahr der Tschernobyl-Katastrophe, schlägt sich beispielsweise mit einer hohen Konzentration des radioaktiven Elements Cäsium 137 nieder.
Mit der Gletscherschmelze droht dieser Schatz für die Wissenschaft verloren zu gehen.
Am Paul Scherrer Institut befasst sich Margit Schwikowski vom Labor für Umweltchemie mit dem Thema. Ihr Mitarbeiter Theo Jenk zu BLICK: «Wir haben bereits im Herbst 2015 am Colle Gnifetti im Wallis Bohrungen durchgeführt. Hier liegt das bisher älteste entdeckte Eis der Alpen. Dieser Gletscher gilt daher als das umfangreichste Eis-Archiv der Schweiz.»
Da der fürs Projekt gewonnene Eiskern wegen zuvieler Bruchstellen nicht von optimaler Qualität war, wird die Bohrung im bis zu 10'000 Jahre alten Eis allerdings wiederholt. Ebenfalls ins Archiv am Südpol kommt möglicherweise Eis vom Berner Fiescherhorn. Das PSI wird zudem Bohrungen im sibirischen Altai-Gebirge durchführen.
Jérôme Chappellaz vom französischen National Center for Scientific Research ist davon überzeugt, dass der technische Fortschritt künftig noch ganz andere Analysemethoden ermöglichen wird. Zu erwarten seien beispielsweise neue Technologien bei der Erforschung der Mutation von Viren und Bakterien, die im Eis eingeschlossen sind.
Chappellaz sagt: «Die Aktion tönt zwar komisch, aber es macht Sinn, Eis auf diese Weise für Jahrhunderte in einem natürlichen Kühlschrank aufzubewahren.» Die Proben werden in einer Schneehöhle in der französisch-italienischen Forschungsanstalt Concordia eingelagert. Hier herrschen Temperaturen von minus 50 Grad – selbst bei Stromausfall…