Deutsche Schauspieler sorgen für Entsetzen
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#allesdichtmachen:Deutsche Schauspieler sorgen für Entsetzen

Heike Makatsch zu #allesdichtmachen
«Bereue, rechten Demagogen in die Hände gespielt zu haben»

Rund 50 deutsche Film- und Fernsehschauspieler sorgen mit einer grossangelegten Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen für Aufsehen und Entsetzten. Mittlerweile ist die Seite nicht mehr erreichbar.
Publiziert: 23.04.2021 um 06:58 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2021 um 17:39 Uhr
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Jan Josef Liefers, Schauspieler und Musiker, ist bei #allesdichtmachen dabei.
Foto: OLIVER BERG

Künstler wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller, Jan Josef Liefers und viele weitere verbreiteten am Donnerstag bei Instagram und auf der Videoplattform Youtube gleichzeitig ironisch-satirische Clips mit persönlichen Statements zur Corona-Politik der Bundesregierung. Andere prominente Schauspielkollegen reagierten entsetzt.

Wie die Aktion koordiniert wurde, war zunächst nicht bekannt. Die Hashtags #allesdichtmachen, #niewiederaufmachen und #lockdownfürimmer wurden am Abend binnen kurzer Zeit zu den am meisten verwendeten bei Twitter in Deutschland.

«Misslungene Satire von A bis Z»
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Deville über #allesdichtmachen:«Misslungene Satire von A bis Z»

«Sind wir erst am Leibe verhungert ...»

«Schliessen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz», fordert etwa Tukur die Bundesregierung auf. «Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte.» Und er fügt hinzu: «Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage.»

Liefers bedankt sich in seinem Clip mit ironischem Unterton «bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben.»

Sehr gemischte Reaktionen

Richy Müller atmet in seinem Clip abwechselnd in zwei Tüten und kommentiert ironisch: «Wenn jeder die Zwei-Tüten-Atmung benutzen würde, hätten wir schon längst keinen Lockdown mehr. Also bleiben Sie gesund und unterstützen Sie die Corona-Massnahmen. Ich geh jetzt mal Luft holen.»

In den sozialen Medien stiess die Aktion teilweise auf begeisterte Zustimmung, aber vor allem bei Prominenten auch auf sehr heftige Ablehnung. «Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben», twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch Notfallsanitäter ist. Schauspieler Marcus Mittermeier kommentierte: «Niemand hat mich gefragt, ob ich bei #allesdichtmachen mitmachen will. Gott sei Dank!» Der Pianist Igor Levit twitterte: Die stumpfste Waffe gegen die Pandemie sei «schlechter, bornierter Schrumpfsarkasmus, der letztendlich bloss fader Zynismus ist, der niemandem hilft. Nur spaltet.»

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«Eklige Ironie»

Medienjournalist Stefan Niggemeier vom Onlinemagazin «uebermedien.de» schrieb von «ekliger Ironie» und einem «Dammbruch», der zugleich der «grösste Erfolg der Querdenkerzene bisher» sei. Der Grünen-EU-Abgeordnete Erik Marquardt kritisierte, er finde die Aktion schlecht und «sehe sie als Ausdruck einer zunehmenden Resignation von eigentlich Vernünftigen».

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Die Kritik traf einige der Teilnehmer stark. Heike Makatsch etwa zog Teilnahme zurück. Auf Instagram schreibt sie: «Ich distanziere mich klar und eindeutig von rechtem Gedankengut und rechten Ideologien. Schon immer. Ohne Frage», schreibt die Schauspielerin («Hilde», «Tatsächlich ... Liebe»). Sie bereue es, falls sie rechten Demagogen in die Hände gespielt habe. Dazu postete sie den Hashtag #womöglichgescheitert.

Ihre Fans auf Instagram waren nicht so leicht zu besänftigen. «Hätte man vorher schon wissen können» lautet der Tenor vieler, die den Beitrag kommentierten.

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Weitere prominente Schauspieler mischten sich via Instagram in die Diskussion ein. Elyas M'Barek schrieb: «Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.» Jeder wolle zur Normalität zurückkehren, und das werde auch passieren. Hans-Jochen Wagner nannte die Aktion peinlich. Er verstehe sie nicht, schrieb der Schauspieler, der an Liefers gerichtet fragte: «Das kann doch nicht Dein Ernst sein.» Christian Ulmen fühlte sich sogar an den rechten Verschwörungserzähler Ken Jebsen erinnert: Dieser «hätte es nicht schöner sagen können». Nora Tschirner warf den Machern der Clips Handeln aus Langeweile und Zynismus vor.

Verfassungsschützer spendet Beifall

Satiriker Jan Böhmermann hielt der Aktion bei Twitter entgegen, das einzige Video, das man sich ansehen solle, «wenn man Probleme mit Corona-Eindämmungsmassnahmen hat», sei die ARD-Doku aus der Berliner Charité mit den Titel «Station 43 - Sterben». Dazu stellte er den Hashtag #allenichtganzdicht und einen weinenden Smiley.

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Beifall gab es dagegen vom früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maassen, der die Aktion auf Twitter «grossartig» nannte. Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sprach von einem «Meisterwerk», das «uns sehr nachdenklich machen» sollte. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar twitterte: «Das ist intelligenter Protest.» Sie feiere Jan Josef Liefers.

Die Kunst- und Kulturszene leidet seit mehr als einem Jahr schwer unter den Corona-Massnahmen. Laut dem Bundesverband Schauspiel (BFFS) etwa haben viele der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland seit März 2020 kaum Einkommen. Dem Verband zufolge leben zwei Drittel bis drei Viertel aller Schauspielerinnen und Schauspieler von Gastverpflichtungen an Theatern, die aktuell nicht oder kaum arbeiten können. In Deutschland gibt es insgesamt etwa 15'000 bis 20'000 Schauspieler.

«Die Website ist nicht erreichbar» – Die Seite allesdichtmachen.de ist dicht.

Internetseite ist dicht

Momentan ist der «intelligente Protest vom Netz». Seit morgens um 9 Uhr ist die Seite www.allesdichtmachen.de nicht mehr erreichbar. Ob die Betreiber kalte Füsse bekommen haben oder ob es sich um einen Angriff – oder nur ein technisches Problem handelt ist zurzeit nicht klar. (SDA/vof/bö)

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