Am 10. Juni 2018 findet in Zürich erstmals ein Formel-E-Rennen statt. Auf ihrer Webseite betonen die Veranstalter, dass die Elektroboliden «leise» durch die Zürcher Innenstadt rasen werden und es sich um ein «umweltfreundliches Rennspektakel» handle.
Die Beteuerungen der Organisatoren kommen nicht von ungefähr. Die Zürcher Stadtregierung gilt nicht gerade als Fanklub des motorisierten Individualverkehrs. Während die Formel-E-Rennwagen mit bis zu 225 km/h durch die Limmatstadt kurven dürfen, müssen sich normale Autofahrer in der Stadt Zürich vermehrt an die Höchstgeschwindigkeit 30 km/h halten.
Der Autolobby stösst das sauer auf. Thomas Hurter (54), SVP-Nationalrat und Präsident des Automobil Clubs der Schweiz (ACS), sagt: «In Zürich und anderen Städten werden Tempo-30-Zonen vermehrt als Mittel der Verkehrslenkung eingesetzt. Unter dem Vorwand der Lärmbekämpfung macht man das Autofahren unattraktiv.»
Hurter ist nicht der Einzige, der den Tempo-30-Ausbau kritisch sieht. «Zu 107 Strassenabschnitten in der Stadt Zürich wurden Rechtsmittel ergriffen», sagt Heiko Ciceri, der bei der Dienstabteilung Verkehr für die Kommunika-tion zuständig ist. Die Beschwerden liegen bei den verschiedenen dafür zuständigen Instanzen: Stadtrat, Statthalter, Verwaltungs- und Bundesgericht.
Rote Köpfe vielerorts
Doch nicht nur in der Stadt Zürich sorgt Tempo 30 für rote Köpfe. Das Thema erhitzt im ganzen Land die Gemüter, wie ein Blick in die Schweizer Mediendatenbank zeigt: «Liberale Frutige wollen Tempo 30», heisst es in der «Berner Zeitung». «Wenn Tempo 30 Dörfer spaltet», titelt das «Badener Tagblatt». Und die «Luzerner Zeitung» schreibt über Rothenburg: «Widerstand gegen Tempo 30».Bisher liess sich nicht belegen, dass Tempo 30 in der ganzen Schweiz auf der Überholspur ist. Der Bund erhebt dazu keine Daten, die Kantone informieren ebenfalls nicht darüber.
Auf Anfrage von SonntagsBlick haben die Tiefbauämter einiger Kantone – sie sind für die Bewilligung von Langsamfahrzonen zuständig – nun aber erstmals Zahlen zusammengestellt. Das Ergebnis: Die Anzahl Tempo-30-Zonen ist in den vergangenen zehn Jahren geradezu explodiert.
Im Kanton St. Gallen, ohne die Hauptstadt, gibt es heute 92 Tempo-30-Zonen. 72 davon wurden in den vergangenen zehn Jahren bewilligt. In Freiburg sind es 172, 2007 waren es gerade einmal 56. Im Kanton Luzern wurden seit 2007 234 Tempo-30-Zonen bewilligt – und das ohne die drei grössten Gemeinden Luzern, Emmen und Kriens.
Bern drückt aufs Tempo
Am meisten Gas gegeben in Sachen Tempo 30 haben aber die Berner. Sie machten ihrem Ruf alle Ehre und bewilligten zwischen 2007 und 2017 ganze 356 Langsamfahrzonen. Gab es im Kanton Bern vor zehn Jahren noch 137 Tempo-30-Zonen, sind es heute 493.
Christine Steinmann, Projektleiterin Verkehrssicherheit des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) freut sich über diese Zahlen: «Das zeigt, dass unsere langjäh-rige Überzeugungs- und Sensibilisierungsarbeit nun greift.» Es sei ein Votum für eine bessere Lebensqualität und insbesondere für mehr Sicherheit und Koexistenz auf den Strassen.
Der VCS geht davon aus, dass die Anzahl Tempo-30-Zonen auch in Zukunft zunehmen wird. Die Autolobby befürchtet dasselbe. Doch Thomas Hurter vom ACS warnt: «Wenn es die Verantwortlichen zu weit treiben, wird es irgendwann eine Gegenreaktion geben.»
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