Alfred Monn war der Puffkönig von Sedrun
Aus dem Verkehr gezogen

Die Neat-Baustelle in Sedrun hinterliess vor allem eines: geplatzte Träume. Auch der Bordell-Traum von Alfred Monn bedeutete am Ende seinen Ruin.
Publiziert: 01.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 17:36 Uhr
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Dorftreffpunkt: Im Stübli gabs Fondue und angeregte Diskussionen.
Foto: Stefano Schroeter
Seraina Etter (Text) und Stefano Schröter (Fotos)

Einst war Sedrun GR eine Partyhochburg, Touristen und Einheimische standen vor den Bars Schlange. In der ganzen Schweiz hingen Plakate mit dem Slogan «Z’ Sed­run wirsch brun». Heute, knapp 40 Jahre später, begegnen wir im Dorf keiner Menschenseele, viele Fenster sind verriegelt, die dicke Nebeldecke drückt aufs Gemüt. «Es tut einfach nur weh», sagt Alfred Monn (67) traurig. Er streckt seine Krücken in die Luft, reisst die Augen weit auf, erhebt seine sonst so sonore Stimme. «Z’ Sedrun wirsch dumm – das stimmt schon eher!»

Das Schicksal des Ex-Carrossiers steht symbolisch für das Auf und Ab seines Heimatortes. Als die Neat 1996 in die wirtschaftlich florierende Gemeinde kam, herrschte Goldgräberstimmung, wie der Film «Unten durch» zeigt (morgen, 20.05 Uhr, SRF 1). Der Sedruner Dokumentarfilmer Gieri Venzin (57) hat die Entwicklung seines Dorfes von Anfang bis zum Ende der Gotthard-Bauarbeiten verfolgt.

Auch der temperamentvolle Mann mit dem grauen Rossschwanz witterte in der Blütezeit des Tunnelbaus das grosse Geschäft. Alfred Monn eröffnete 2003 für die bis zu 600 Tunnelarbeiter die Kontaktbar Edelweiss. «Es war immer viel los, in einer guten Nacht verkaufte ich über 50 Piccolos und kam nicht vor sieben Uhr früh ins Bett», erinnert er sich. Für seine rund sieben Animierdamen sei er wie ein lieber Vater gewesen, «im Bett lief aber zwischen uns nichts, das war tabu!».

Doch das familiäre Glück im Freudenhaus währte nicht lange: Die Gemeinde habe ihm ständig die Polizei auf den Hals gehetzt, sagt er. «Das Neue hat im Land der Neider nun mal einen schweren Stand.»

Nach unzähligen Razzien hatte Monn die Nase voll. Er flüchtete sich in den Alkohol, zudem liess er sich von seiner Frau scheiden. Nach einem viermonatigen Entzug wagt der Bordellbesitzer 2007 einen Neustart. Doch erneut sei er «Opfer der Politik» geworden.

Als auch nach Gesprächen mit Gemeinde und Polizei die Kon­trollen nicht aufhören, gibt Monn auf, schliesst 2009 die Türen. Es folgt der finanzielle Ruin. «Ich lebte mehrere Monate nur von Kaffee und Brot, wäre fast gestorben», sagt das Dorf-Original, das zwei Jahre lang auf Sozialhilfe angewiesen war.

Seit zwei Jahren hat der Sed­runer wieder etwas Hoffnung: Er erhält AHV – und hat eine neue Freundin, die er liebevoll Oma Eva nennt. «Ohne sie wäre ich nicht mehr hier», erklärt Monn während der Besichtigung seiner Container-Landschaft. Im Edelweiss sind die Better bezogen, der Whirlpool ist betriebsbereit, sogar die rote Lampe auf dem Dach funktioniert einwandfrei. «Ich könnte morgen wieder eröffnen und der Laden würde brummen», sagt Monn wehmütig. «Aber ich habe die Kraft einfach nicht mehr. Der Zug ist abgefahren – für mich und auch für Sedrun.»

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